Der Prinz der Hölle
mit niemandem darüber, es würde nur zur Unruhe kommen.«
»Sehr wohl, Gebieterin.«
Im ganzen Thronsaal wurde verstohlen gewispert.
Die Edlen, die ihre Plätze nun eingenommen hatten, warteten auf Du-jums Eintreffen. Die meisten, all jene nämlich, die nicht feige waren, hatten sich auf einen geheimen Plan geeinigt. Sie trugen Dolche unter ihren Gewändern, und auch ihre Diener hatten Messer in den Stiefelschächten oder unter dem langen Haar verborgen.
Sie wussten, dass Du-jum sich in eine Zaubertrance versetzen würde, wenn er Omeron marterte, und hoff ten, er wäre dadurch so abgelenkt, dass sie ihn töten konnten. Vierzig von ihnen und dazu achtzig Diener waren an diesem Komplott beteiligt. Gewiss waren sie genügend, Du-jums Wächter zu überwältigen und ihm selbst mit seinen sechs jungen Zauberern ein Ende zu machen.
Letztere – Aspre mit seinen Brüdern –, betraten mit gemessenen Schritten den Saal. Dunkle Gewänder raschelten, Augen glühten kaum merklich in dem hellbeleuchteten Saal. Die jungen Zauberer ließen sich auf den für sie bestimmten Stühlen neben Du-jums Thron nieder. Die Edlen tasteten heimlich nach ihren versteckten Waffen und versuchten ihre Anspannung mit seichtem Geplauder zu vertuschen.
Durch Hintergemächer und Geheimgänge näherten sich Sonja, Kiros, Elath und sieben weitere der Galerie des Thronsaals, in der Hoffnung, dass die anderen Trupps ihrer Kameraden ebenso gut wie sie vorankamen.
Sie hatten eine winzige, fensterlose Kammer erreicht, entlang deren Wände sich Regale mit Schriftrollen befanden. Stumm lauschten sie den Geräuschen aus dem. Thronsaal, die gedämpft bis hierher zu vernehmen waren, und spähten durch einen Türspalt auf den Korridor.
»Der Gang ist leer«, wisperte Sonja. »Ich werde mich dort umsehen …«
Plötzlich schwang ein Vorhang hinter ihnen zurück, und die Stimme einer erschrockenen jungen Frau war zu hören: »Ihr Götter, wie kommt ihr hierher?«
Ilura, nicht mehr als ein verschwommener Schlangenschatten, erreichte die Stadtmauer.
Die Nacht senkte sich herab. Hoch oben – Umrisse im schwindenden Licht des Westens – zogen Posten ihre Runden auf dem Wehrgang, ohne auch nur zu ahnen, dass ein wahres Meer von Reptilien herbeikroch und die uralten Grundmauern der Stadt nach Spalten und Rissen absuchte.
»Sithra!« flüsterte die Riesenschlange Ilura. »Ixcatl! Helft mir, in die Stadt zu gelangen.«
Sie hielt inne, ihre nicht-menschlichen Instinkte und Sinne auf die kaum merklichen Einflüsse willenberaubenden Zaubers gerichtet. Dann wandte sie sich nach links, glitt über die flachen Wiesen, zwischen gepflanzten Bäumen hindurch und um alte, halb eingefallene Mauern herum. Panisch ergriffen Hühner gackernd vor ihr die Flucht, ebenso aufgeregt bellende Hunde. .
Unweit des Flusses gelangte sie zu einer niedrigen Seitentür aus schwerer Eiche – ein Weg in die Stadt!
In der Düsternis fing die Schlangengestalt an sich zu verändern. Schon viel kleiner, begann sie noch weiter zu schrumpfen und sich aufzurichten.
Und dann stand Ilura vor dem Tor: eine schlanke junge Frau in einfachem Leinenkittel. Lauschend achtete sie auf das Rascheln unzähliger Diener im hohen Gras hinter sich.
Sie hob einen Stein auf und begann damit an die dicke Eichentür zu klopfen.
»Macht auf!« rief sie. »Lasst mich ein!«
Sie hörte Schritte auf dem Wehrgang und Verwünschungen, doch ansonsten tat sich eine Weile gar nichts. Dann wurden mehrere Fackeln über die Brustwehr gehalten.
»Was wollt Ihr, Mädchen?«
»Dumme Frage, hinein natürlich.«
»Seid Ihr allein?«
»Sieht es etwa so aus, als hätte ich eine Armee bei mir?«
Weitere Augenblicke verstrichen, dann war ein Knarren von Riegeln und Rasseln von Ketten zu hören, und schließlich schwang die schwere Tür auf. Mehrere Soldaten standen unmittelbar davor. Ihre Fackeln spiegelten sich auf ihrer Rüstung und auf barbarischem Schmuck aus geblichenen Knochen. Bei Iluras Anblick grinsten alle erfreut.
»Na so etwas«, sagte der vorderste Soldat. »Was macht ein so hübsches junges Ding …«
»Satha na ikis Ixcatl!« rief Ilura und deutete mit ausgestrecktem Arm auf sie.
Sofort glitt eine Welle schuppiger Kreaturen aus dem wogenden Gras. Sie quoll durch das Tor und über die Füße der Wächter. Schreckens- und Schmerzensschreie zerrissen flüchtig die Luft, gemischt mit dem Zischen Tausender von Schlangen. Dann schritt Ilura ruhig durch die Tür, vorbei an den durch Gift aufgedunsenen
Weitere Kostenlose Bücher