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Joe Kurtz 02 - Bitterkalt

Joe Kurtz 02 - Bitterkalt

Titel: Joe Kurtz 02 - Bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kapitel 1
    Joe Kurtz hatte mächtig Schiss vor dem Tag, an dem sein innerer Wachhund sich die längst überfällige Auszeit gönnte und ihm eine entscheidende Dummheit durchrutschte. Seine Instinkte, nach fast zwölf Jahren Überlebenstraining im Knast scharf wie Rasierklingen, würden ihn in diesem Moment kläglich im Stich lassen. Dann wartete ein qualvoller und gewaltsamer Tod auf ihn.
    Aber heute war nicht dieser Tag.
    Er sah, wie der alte Pontiac Firebird hinter ihm abbog und am anderen Ende des Parkplatzes zum Stehen kam, als er mit seinem Wagen vor Ted’s Hotdog auf dem Sheridan Drive abbremste. Beim Aussteigen bemerkte er die drei Männer, die in ihrem Wagen sitzen blieben, während der Motor des Pontiac weiterlief. Die Scheibenwischer des Firebird schoben den Schnee in zwei schmutzigen Bögen zur Seite, aber Kurtz konnte trotzdem deutlich die Köpfe des Trios erkennen, dessen Umrisse sich vor den Straßenlaternen abzeichneten. Es war noch nicht einmal 18 Uhr, doch die Nacht senkte sich bereits in dieser dunklen, kalten und klaustrophobischen Weise herab, wie sie nur Buffalo, New York, im Februar zu bieten hatte.
    Kurtz holte drei Rollen mit Vierteldollarmünzen aus dem Handschuhfach seines alten Volvo, stopfte sie in die Tasche seines Kapitänsmantels und betrat Ted’s . Er bestellte sich zwei Hotdogs mit allem außer scharfer Soße, eine Portion Zwiebelringe und einen schwarzen Kaffee. Dabei blieb er so stehen, dass er den Firebird aus den Augenwinkeln beobachten konnte. Die drei Männer stiegen schließlich doch noch aus, unterhielten sich kurz im Schnee und trennten sich dann. Keiner von ihnen kam in das hell erleuchtete Schnellrestaurant.
    Kurtz schleppte sein Tablett in den Sitzbereich hinter den Grillstationen und Getränkeautomaten und fand einen Tisch, der weit genug vom Fenster entfernt war, von dem er aber trotzdem die Türen und die direkte Umgebung des Ladens gut im Blick hatte.
    Kein Zweifel, bei den Typen handelte es sich um die Drei Stooges .
    Kurtz hatte sie lange genug gesehen, um sie wiederzuerkennen. Er kannte ihre richtigen Namen, aber die spielten keine Rolle – in den Jahren, die er mit ihnen zusammen in Attica eingefahren war, nannten sie alle im Bunker nur die Drei Stooges. Alle Mitte 30 und nicht miteinander verwandt, wenn man von irgendeiner merkwürdigen sexuellen Dreiecksgeschichte absah, über die Kurtz lieber nicht genauer nachdenken wollte.
    Die Kerle waren strohdumm, aber auf eine brutale und tödliche Weise ziemlich gerissen. Sie hatten mit Messerjobs auf dem Gefängnishof Karriere gemacht, indem sie für andere, die nicht selber an ihre Zielpersonen herankamen, Leute aus dem Weg räumten und sich dafür mit ein paar Dutzend Stangen Zigaretten bezahlen ließen. Bei ihren Mordaufträgen kannten sie keine Rassenunterschiede: In der einen Woche schlitzten sie für die Arische Bruderschaft einen Farbigen auf, in der nächsten einen Weißen für die Bloods oder eine andere schwarze Gang. Sie selber waren Bleichgesichter.
    Nun hatte Kurtz den Knast hinter sich gelassen und die Stooges auch. Sie waren hinter ihm her und sollten ihn um die Ecke bringen, daran gab es keinen Zweifel. Kurtz kaute auf seinen Hotdogs herum und dachte fieberhaft nach. Zuerst musste er herausfinden, wer seinen Tod in Auftrag gegeben hatte.
    Nein, Kommando zurück. Zuerst musste er sich um die Drei Stooges kümmern und konnte dabei auch gleich seine Fühler ausstrecken, wer hinter dem Job steckte. Er aß langsam und grübelte über seine Erfolgsaussichten nach. Nicht sonderlich vielversprechend. Entweder durch Glück oder einen guten Informanten – und Kurtz glaubte nicht an Glück – hatten die Stooges Kurtz ausgerechnet in einem unbewaffneten Moment abgepasst. Er befand sich auf der Rückfahrt von seiner Bewährungshelferin und hielt den Volvo für nicht besonders geeignet, um eine Waffe darin zu verstecken. Seine Bewährungshelferin verstand da überhaupt keinen Spaß.
    Also hatten die Stooges ihn ohne Waffe erwischt und ihre Spezialität waren Exekutionen in der Öffentlichkeit. Kurtz schaute sich um. Nur ein halbes Dutzend weitere hungrige Mäuler saß an den Tischen – zwei alte Männer, die schweigend und getrennt dahockten, und eine überfordert wirkende Mutter mit drei lauten Kiddies im Vorschulalter. Einer der Jungs glotzte zu Kurtz herüber und zeigte ihm den Mittelfinger. Die Mutter aß ihre Pommes frites und tat so, als hätte sie es nicht bemerkt.
    Kurtz inspizierte die weitere Umgebung.

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