Der Protektor von Calderon
zu müssen.
Kitai, der ihre Nacktheit nichts auszumachen schien, blieb noch einen Moment träge im Gras liegen und seufzte bedauernd, ehe sie sich ebenfalls aufsetzte. »Hallo, Enna.«
»Guten Tag, Kitai«, erwiderte die Reiterin. Enna trug Stiefel und Hose nach aleranischer Art, so wie auch Kitai, doch darüber einen Lederharnisch, der einer Legionslorica nachempfunden war. Wie Kitai hatte sie das Haar kurzgeschoren bis auf die lange Mähne, die ihr in den Rücken wallte, doch zusätzlich hatte sie es in grellem Blau gefärbt. Die Marat, eine Veteranin des Pferdeclans, hielt beiläufig einen Reiterspeer in der Hand und grinste die beiden von oben herab an. »Meinetwegen braucht ihr nicht aufzuhören. Ist schon Zeit, dass ich mal mehr von diesem Aleraner zu sehen bekomme, für den du dich entschieden hast.«
Kitai erwiderte das Grinsen. »Pass nur auf, dass es beim Anschauen bleibt.«
Enna legte den Kopf schief und musterte Tavi mit einer Freimütigkeit, die das Unmögliche vollbrachte: Er wurde noch verlegener. »Ist er immer so rosa?«, fragte Enna. »Oder macht er das nur, um dich zu erheitern?«
»Verfluchte Krähen«, murmelte Tavi und schob seine Arme in die Tunika.
Kitai lachte schallend. »Er erheitert mich immer, Kusine.«
Enna runzelte die Stirn. »Aber er ist kein Pferd.«
»Niemand ist vollkommen«, erwiderte Kitai.
Tavi räusperte sich und ermahnte sich, dass er der Hauptmann war. »Zenturio«, sagte er mit der festen, ruhigen Stimme, mit der er Legionsangelegenheiten besprach. »Gibt es etwas zu berichten?«
Ennas Belustigung und Neugier funkelten weiter in ihren Augen, dennoch nahm sie Haltung an und salutierte, indem sie die Faust aufs Herz schlug. »Hauptmann. Ritter Cyril lässt Grüße übermitteln; er nahm an, du würdest gern wissen, dass Ehren zurückgekehrt ist.«
Tavi sah sie scharf an und holte tief Luft. Sein Herz machte
gleichzeitig vor Erleichterung und vor Sorge einen Sprung. Ehren war lebend von einem gefährlichen Auftrag heimgekehrt, der ihn durch von Canim besetztes aleranisches Gebiet geführt hatte, und Tavi war froh darüber. Wenn Ehren die Reise jedoch vorzeitig abgebrochen hatte, so musste er etwas entdeckt haben, worüber er Tavi unverzüglich informieren musste. Tavi hatte mehrere dunkle Ahnungen, was wichtig genug sein könnte, dass sein Freund, der wie er auch Kursor der Krone war, ein derartiges Vorgehen wählte. Und selbst die harmloseste dieser Befürchtungen war noch immer schlimm genug.
»Kitai«, sagte Tavi leise und blickte sie an.
Das Marat-Mädchen war bereits ein paar Schritte zur Seite getreten, zog sich die Tunika über den wohlgeformten Oberkörper und band die Pferde los.
»Enna«, sagte Tavi, »reite voraus. Gib Tribun Maximus Bescheid, er soll seine vier Alae in Marschbereitschaft versetzen, und Tribun Crassus muss auch seine Ritter bereithalten.«
Enna nickte. »Ja, Hauptmann. Was soll ich dem Ersten Speer ausrichten?«
»Die Schlachtkrähen sollen sich bereithalten«, antwortete Tavi. »Darüber hinaus erst einmal nichts. Valiar Marcus weiß besser als ich, was zu tun ist.«
Inzwischen war Kitai mit den Pferden zurückgekehrt, und Tavi schwang sich auf seinen langbeinigen stämmigen Schwarzen, den er Acteon nannte. Der Hengst war ein Geschenk von Kitais Tante Hashat. Nun ja, nicht wirklich ein Geschenk, denn beim Pferdeclan betrachtete man seine Totemtiere nicht als Eigentum. Soweit Tavi verstanden hatte, wurde er der Fürsorge des Pferdes anvertraut, wann immer Geschwindigkeit gefragt war, und das Pferd wurde ihm anvertraut, was alle anderen Belange betraf. Bislang hatte diese Vereinbarung sich bezahlt gemacht.
Tavi wendete Acteon, während Kitai ihr ebenfalls aus barbarischer Zucht stammendes Tier bestieg, eine scheckige Graue, die über weitaus mehr Ausdauer verfügte als jedes aleranische Pferd,
das Tavi je gesehen hatte. Enna lief hinüber zu ihrem Stichelhaarigen, welcher mit dieser Winzigkeit gezäumt war, die bei den Marat als Sattel galt, und versetzte ihn sofort in Galopp. Es hatte keinen Zweck, mit ihr Schritt halten zu wollen - kein Reiter in ganz Carna konnte es an Geschwindigkeit mit den Angehörigen des Pferdeclans der Marat aufnehmen.
Zu Kitai brauchte er kein Wort zu sagen. Die beiden waren schon so oft ausgeritten, sie waren aneinander gewöhnt, brachten ihre Pferde gleichzeitig in Gang und donnerten zurück in Richtung der Festungsanlagen, in denen die Erste Aleranische an der Elinarcus ihre Stellung bezogen
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