Der Protektor von Calderon
gemacht!«
Zum Teil entsprach das durchaus der Wahrheit, obwohl sie Fürstin Placida nicht gern als altes Weib bezeichnete. Allerdings war es Isana gelungen, die Berühmtheit, die sie als Fürstin Aquitanias Vorzeigeobjekt in der Dianischen Liga erlangt hatte, in etwas weitaus Nützlicheres umzumünzen als in die alleinige Befriedigung der Machtgelüste ihrer Patrona. Fürstin Aquitania war nicht begeistert davon, wie Isana ihren persönlichen Einfluss ausnutzte, und hatte versucht, Isanas Hilfevorhaben zu unterlaufen, doch ein offenes Vorgehen hätte viele Mitglieder der Liga gegen sie aufgebracht - was der Fürstin durchaus bewusst war. Und so hatte Isana bei ihren letzten Begegnungen mit der Fürstin stets eine gewisse Gereiztheit gespürt, die allein schon beinahe Grund genug gewesen wäre, die endlosen Stunden Arbeit auf sich zu nehmen, um für Unterstützung zu werben und die Kolonne aufzustellen. Obwohl … wenn sie ehrlich mit sich war, so bedeutete der kleine Sieg nichts im Vergleich mit dem Elend und Leid, das durch die Karawane gelindert werden konnte.
Isana half. Sie tat etwas Gutes, auf das sie stolz sein konnte - etwas, auf das Septimus stolz gewesen wäre.
Sie musste sich ein Lächeln verkneifen und gleichzeitig die Tränen unterdrücken. »Alle wollen den Flüchtlingen helfen, Kind. Sie brauchen nur jemanden, der ihnen zeigt, wie.«
Myra kaute auf einem Fingernagel und blickte sie unverwandt an. »Papa sagt, du bist wichtig.«
Isana lächelte die Kleine an. »Jeder ist wichtig.«
»Myra«, rief der Fahrer von vorn. »Komm jetzt, stör die Wehrhöferin nicht bei der Arbeit.«
»Bin schon da, Papa«, antwortete das Mädchen. Sie schenkte Isana noch ein Lächeln und krabbelte dann wieder nach vorn zum Bock.
Isana machte sich erneut an die Arbeit am Bestandsverzeichnis und schaute nicht mehr davon auf, bis die Karawane für die
Mittagsrast anhielt. Während die Fahrer und Maultiertreiber ihre Mahlzeit zu sich nahmen, arbeitete sie weiter. Schließlich war sie ja nicht den ganzen Morgen auf den Beinen gewesen oder hatte sich um die Ladung gekümmert.
Einer der berittenen Karawanenwächter rief jemanden an, und Isana zuckte zusammen. Die Karawane beförderte zwar nicht viel Geld, aber doch eine beträchtliche Menge Waren von Wert. Als Beute für Räuber war die Ladung zu groß, doch bestand immerhin die Möglichkeit, dass sich die Canim Nachschub und Vorräte für ihre zweifellos hungrigen Soldaten holen würden.
Es entstand jedoch kein Aufruhr, und Isana entspannte sich und führte ihre Bestandslisten weiter, bis der trabende Hufschlag eines Pferdes bei ihrem Wagen hielt.
Isana blickte auf, runzelte leicht die Stirn und widmete sich der Verbindung mit Bächlein - und sprang plötzlich von ihrem Platz auf, verschüttete Tinte auf dem Papier und scherte sich nicht darum. Ihr Herz klopfte wie das eines jungen Mädchens und nicht wie das einer Frau ihres Alters, ihres Ranges und ihrer Stellung, und sie erwischte sich dabei, dass sie sich das Haar zurechtzupfte und das Kleid glatt strich. Dann starrte sie angewidert auf ihre tintenverschmierten Finger. Vermutlich hatte sie die Flecken überall verteilt, möglicherweise sogar auf ihrem Gesicht. Die Röte stieg ihr ins Gesicht.
Vor dem Wagen sprang jemand auf den Boden, und das Pferd trippelte. Es klopfte an der Seitenwand.
Isana kam sich ein wenig lächerlich vor, teilte die Vorhänge mit einer Hand und stieg aus dem Wagen in die Mittagssonne. Es war einer der ersten Frühlingstage im Amaranth-Tal.
Ein Mann von durchschnittlicher Größe erwartete sie. Das dunkle Haar hatte er entsprechend den Vorschriften der Legion kurzgeschoren, und seine schlichte Rüstung zeigte starke Gebrauchsspuren. Die eine Hälfte seines kräftig geschnittenen Gesichtes war schön anzusehen, die andere von entsetzlichen Brandwunden verunstaltet, die sich um das Legionsbrandzeichen für
Feigheit auf der Wange zogen. Er trug ein schlichtes Schwert an der Seite und den scharlachroten kurzen Umhang eines Singulare der Legion.
Isanas Herz schlug nochmals schneller, und sie lächelte ihn an. »Araris.«
Sein Mund verzog sich zu einem kurzen Lächeln, was selten bei ihm vorkam, und seine Augen leuchteten. Die Wärme seiner Emotionen überflutete Isana, und sie fühlte sich, als würde sie über dem Boden schweben. Seine Freude und seine Aufregung über ihre Begegnung konnte sie spüren, seine Zuneigung und ein gewisses, schwach beherrschtes Verlangen nach ihr, das ihr abermals
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