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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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die Abzweigung zu. Noch bevor er sie erreichte, wurde ihm die Luft knapp, in beiden Seiten stach es, vor den Augen tanzten farbige Kreise. Gezwungenermaßen verlangsamte er seine Schritte. Die Augen jagten den Füßen voraus. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
    Wenn sie nun recht hatten? Trude, Antonia. Natürlich konnte er das Rad gefunden haben, auch dieses vermaledeite Springmesser, das ausgesehen hatte, als hätte es längere Zeit im Freien gelegen. Und von anderen Dingen wusste Jakob doch nichts. Er hatte in seiner Wut nicht einmal bemerkt, was Trude so eifrig von der Tischplatte schrubbte.
    Aber ob sie nun alle recht hatten oder nicht. Es gab nur eine Lösung: Ben musste für kurze Zeit in sichere Obhut gegeben werden. Nur für kurze Zeit, nur zur Sicherheit für ihn und ein wenig für den eigenen Frieden. Dass man mit sich selbst wieder ins Reine kam, die Faustschläge vergessen konnte und den wunden Blick, mit dem er sie eingesteckt hatte. Das musste Trude verstehen.
    Es würde nicht leicht sein, ihr das zu erklären, nicht in der Verfassung, in der sie jetzt war. Aber auch für Jakob war es nicht leicht. In seinem Innern hielt es sich die Waage: in der einen Schale der entsetzliche Verdacht und die Schuldgefühle, die sich aus der Verantwortung als Vater ergaben, in der anderen Schale die Hoffnungsfunken. Und bis die Waage wieder voll in Richtung der Funken ausschlug, bis er wieder ohne Zweifel auf den breiten Rücken schauen konnte, so lange musste er ihn sich aus den Augen schaffen, damit es kein Unglück gab.
    Er erreichte Lukkas Bungalow und lief daran vorbei, inzwischen mit den Gedanken bei Paul. Wenn er ihm sagte, was ihm durch den Kopf ging, vielleicht half es Paul.
    Mechanisch, aber eilig einen Fuß vor den anderen setzend, bog Jakob in den schmalen Fahrweg ein, Meter um Meter vorbei an Heinz Lukkas Grundstück. Er hatte den Mais, der sich der Terrasse anschloss, noch nicht erreicht, als er die Stimme hörte, das sinnlose Stammeln, die Wortfetzen, die vor Erregung durcheinanderwirbelten.
    Jakob blieb stehen, als habe er einen Schlag ins Genickbekommen. Er drehte sich nach links, lief über das Rasenstück, das die Terrasse umschloss, sprang die Stufen zur Terrasse hinauf. Die Tür war verschlossen, das Glas darin zerbrochen. Es steckten nur noch ein paar Scherben dicht am Rahmen.
    Vor dem ummauerten Kamin lag Heinz Lukka auf dem Boden. Blut an den Händen, den Armen, auf dem Hemd, an den Hosenbeinen, den Kopf so seltsam zur Seite gedreht, das Gesicht fast auf dem Rücken   – Jakob wusste sofort: Heinz lebte nicht mehr. Zu Lukkas Füßen lag Tanja, der kurze weiße Rock mit Blut besudelt, das dünne Blüschen nur noch ein blutiger Fetzen.
    Ben stand neben ihr, das lockige Haar hing ihm wirr über die Augen. Die Arme fuchtelten unkontrolliert in der Luft herum, zu seinen Füßen lag ein blutiges Messer. Der Mund kam nicht so schnell nach, wie er etwas hervorbringen wollte. Aber Jakob kannte die Worte, kannte sie alle: Freund, Finger weg, Fein, Weh, Freund, Rabenaas, fein macht?
    Jakob hörte es im Bruchteil einer Sekunde, auch wenn er es so schnell nicht in sich aufnehmen konnte. Er hörte sich selbst brüllen, machte einen Satz auf den Kamin zu, griff nach einem der langen Schürhaken, sprang zurück, den Arm bereits zum Schlag erhoben. «Jetzt ist Schluss!», schrie er. «Ein für alle Mal.»
    Der Schürhaken sauste hinunter. Ben stand noch einen Moment schwankend zwischen den beiden Körpern. Dann brach er zusammen.
     
    Und Trude wischte immer noch über die Tischplatte, konnte nicht denken, nicht fühlen, nicht einmal richtig sehen. Vor den Augen waberte ein grauer Schleier, der sich zeitweise auf das Gehör legte. Irgendwann wurde der Schleier über den Ohren von gleichmäßig auf- undabschwellenden Geräuschen zerrissen. Sie waren weit weg, sehr weit. Martinshörner, die plötzlich wieder verstummten. Trude wusste nur, es war etwas passiert.
    Sie legten den Lappen zur Seite und setzte sich auf einen Stuhl. Den Kopf musste sie mit der Hand abstützen, die zweite Hand gegen die Brust pressen. Hinter den Rippen brannte es. Das Feuer zog bis in die Schulter, strahlte in den linken Arm und machte ihn lahm. Doch den Kopf machte es klar. So klar, dass Trude mit einem Schlag begriff: Jakob war auf dem Weg zum Lässler-Hof, musste längst dort angekommen sein und wissen, was Ben diesmal gefunden hatte. Die Martinshörner galten wohl Paul und Antonia, vielleicht auch Jakob.
    Da war noch ein

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