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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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LETZTE TAG
    Für meinen Kollegen Dirk Schumann und mich kam das Ende, kaum dass wir den Anfang gemacht hatten. Das war – wie ich schon erwähnte – am Montag, siebzehn Tage nach Marlene Jensens Verschwinden. Ich hatte mich, als der Fall Ursula Mohn im September 87 ungeklärt abgelegt werden musste, ein wenig mit der Dorfgeschichte beschäftigt. Dabei war ich auch über die alte Vermisstensache Althea Belashi gestolpert. Ich kannte die Aussagen von Maria Jensen, Heinz Lukka und Bruno Kleu.
    Bruno hatte vor fünfzehn Jahren Folgendes zu Protokoll gegeben: «Ja, es stimmt, ich habe mich auf dem Marktplatz kurz mit der Artistin unterhalten. Ich hatte eine Verabredung in Lohberg, sie fragte, ob ich sie mitnehmen könnte. Sie wollte zum Bahnhof. Für mich wäre das nur ein kleiner Umweg gewesen. Aber dann wollte sie vorher noch zur Gemeindewiese. Dort hatte sie ihren Koffer deponiert. Ich habe bei der Landstraße auf sie gewartet, etwa zehn Minuten. Dann wurde mir das zu lang, und ich bin gefahren, weil ich nicht zu spät zu meiner Verabredung kommen wollte.»
    Etwas anderes hatten wir Bruno Kleu nie beweisen können. Seine «Verabredung» hatte bestätigt, dass er bei ihr gewesen war. Und eine Leiche war nie gefunden worden.
    Als Ursula Mohn verletzt wurde, hatte ich Bruno mehrfach verhört, er war mein Hauptverdächtiger gewesen. Dass Ben dem Mädchen die Stich- und Schnittwunden zugefügt haben könnte, hätte ich vermutlich auch dann nicht in Betracht gezogen, wenn mir seine Existenz damals bekannt gewesen wäre. Ein Rechtsmediziner hattedie Verletzungen begutachtet und beim Täter anatomische Kenntnisse vorausgesetzt. Einige der Stichwunden waren tief, keine war lebensgefährlich. «Wer das getan hat, wollte sie schreien hören», hatte der Rechtsmediziner gesagt.
    Das war bei Ben damals wie heute auszuschließen. Anatomische Kenntnisse besaß er kaum, laute Schreie machten ihm normalerweise Angst. Und Bruno Kleu kannte die Gegend wie seine Hosentasche. Er wusste, wie man am Lässler-Hof vorbeikam, ohne gesehen zu werden. Und selbst wenn man ihn gesehen hätte, die Tatsache, dass er da draußen Land hatte, erklärte jede Fahrt.
    Ich hatte seinen Wagen, den Mercedes, den später Jakob fuhr, auf Spuren untersuchen lassen – ohne Erfolg. Ich hatte Bruno Kleu sogar mit Ursula Mohn zusammengebracht, nachdem sie von ihren Verletzungen genesen war. Sie hatte nicht auf ihn reagiert und auch sonst keine Angaben machen können.
    Aber vielleicht hätte Ben uns helfen können, wenn wir damals mit ihm gesprochen hätten. Seine heftige Reaktion auf das Taxi, von dem Trude sich im Februar 88 ins Krankenhaus bringen ließ, lässt heute nur den Schluss zu, dass er zumindest gesehen hatte, mit welchem Wagentyp Ursula Mohn zum Bruch gebracht worden war. Es hatte 1987 mehr als einen Mercedes im Dorf gegeben. Toni von Burg fuhr einen weinroten, Erich Jensen einen dunkelblauen. Auf dem Kreßmann-Hof gab es zwei, darunter einen beigefarbenen. Heinz Lukka und Bruno Kleu fuhren jeweils einen weißen.
    Das kleine Geduldsspiel mit dem Katzengesicht wäre für uns vermutlich noch aussagekräftiger gewesen als das Auto. Wenn Ben die Plastikdose im Bruch lediglich gefunden hätte, woher wusste er dann, dass man die silbernenKügelchen in die Katzenaugen rollen musste? Es wäre unfair ihm gegenüber, völlig auszuschließen, dass er es alleine herausfand. Aber naheliegender ist einfach die Vermutung, dass ihn jemand mit dieser Dose ablenkte, und dieser Jemand musste sehr vertraut mit ihm sein. Hätte man uns die Möglichkeit eingeräumt, ihn zu befragen, vielleicht hätten wir ihn ebenso verstanden, wie seine kleine Schwester ihn verstand. Aber wie ich schon sagte, ich erfuhr nicht einmal, dass er existierte. Ebenso wenig hörte ich von den Gerüchten, die über Bruno und die junge Artistin kursierten.
    Trotzdem galt mein erster Gedanke wieder Bruno, als man mich montags über das Verschwinden eines dreizehnjährigen Mädchens in Kenntnis setzte. Beiläufig wies man mich auch darauf hin, dass die siebzehnjährige Cousine dieses Mädchens ebenfalls vermisst wurde, aber da hätte es familiäre Probleme gegeben und so weiter und so weiter. Niemand wollte ein Versäumnis eingestehen, niemand sprach von Svenja Krahl. Zur Ehrenrettung der Beamten in Lohberg muss ich einräumen: Von Edith Stern wussten sie nichts.
    Wie vor acht Jahren fuhr ich zusammen mit Dirk Schumann hinaus. Bruno Kleu erwartete uns bereits. Er war sehr kleinlaut und wollte keine

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