Der Puzzlemoerder von Zons
verbindet. Der Alte hatte ihm außerdem anvertraut, dass in Vollmondnächten die Eckpunkte der Stadt Zons genau den Eckpunkten eines bekannten Sternbildes entsprechen würden. Es hieß, stelle man sich bei Vollmond auf einen der vier Türme, dann stehe man direkt unter einem magischen Stern am Himmelszelt und würde Kraft durch göttliches Sternenlicht aufsaugen können.
Es war lange her , dass er all diese Geschichten gehört hatte. Damals war er noch ein kleiner Junge und der alte Hellseher und Gaukler war der einzige Mensch in seiner Kindheit, der wenigstens ein bisschen freundlich zu ihm war. Gut, er hatte den alten Hellseher nur einmal im Monat gesehen, wenn er mit den Zirkusleuten wieder auf dem Kölner Marktplatz, in der Nähe des Bauernhofes seines Vaters, gastierte. Aber für ihn bedeutete es die einzige Form von Zuneigung, die er kannte. Oft rief der Alte ihn nach seiner Vorführung zu sich und zeigte ihm bei Nacht die Sterne. Er brachte ihm bei, wie man sich an ihnen orientieren konnte. Das Städtchen Zons war für den alten Hellseher immer ein ganz besonderer Ort für die Sterne gewesen. Und er wusste jetzt schon, was er tun würde, wenn ihm die Flucht in die Freiheit gelang.
...
„1-6-K-1-7-M-1-8-Z“, diese sechs magischen Zahlen ritzte er in die dicke Holztür ein. Eigentlich gehörten noch zwei weitere Zahlen dazu, die „9“ und noch eine „1“, aber als er die letzten beiden Zahlen einritzen wollte, brach ihm die eingeschmuggelte Messerspitze ab. Das machte nichts. Wenigstens hatte er es geschafft, die wesentlichen Zeichen hinzuzufügen und seine umgekehrte Waage war ihm auch meisterhaft gelungen. Er wusste, dass niemand außer ihm und vielleicht dem alten Hellseher, jemals diesen Code würde knacken können. Es waren seine magischen Zeichen, die ihm den Weg zur göttlichen Kraft wiesen. Er war äußerst zufrieden mit sich und der Welt.
VII .
Gegenwart
Die beiden jungen Dinger hatten sein Archiv verlassen. Wäre es nach ihm gegangen, hätten sie ruhig noch bleiben können. Er hatte ihre Unruhe gespürt. Gemerkt, dass sie ganz schnell wieder von diesem Ort, der mittlerweile seit 30 Jahren seine zweite Heimat geworden war, entfliehen wollten. Dabei hätte er ihnen gerne jede Einzelheit zu den Zonser Puzzlemorden erklärt.
Die hübsche Dunkelhaarige hatte besonderes Interesse an dem Fall gezeigt. Wie gerne wäre er doch einmal mit seiner Zunge an ihrem schlanken weißen Hals entlanggefahren, während er ihren Kopf an ihren langen Haaren nach hinten gezogen hätte. Er spürte eine Welle der Erregung bei diesen Gedanken.
All diese hübschen jungen Dinger da draußen in der Welt, die in ihm gar nicht den Mann sahen, der er eigentlich war. Sie sahen nur einen älteren, humpelnden und hässlichen Mann vor sich, aber er war doch ganz anders. Etwas ganz Besonderes. Er kannte jedes Detail zur mittelalterlichen Geschichte von Zons.
Wenigstens hatte ihm dieser junge Mann, der sich erst vor ein paar Wochen für die historischen Morde interessierte, mehr Respekt und Aufmerksamkeit entgegengebracht. Dieser Mann hatte sich stundenlang mit ihm unterhalten und er war so klug, dass er jede Frage beantworten konnte. Gut, vielleicht würden die jungen Dinger ja auch mit vielen Fragen wiederkommen. Jedenfalls hoffte er tief in seinem Innersten darauf, dass die Dunkelhaarige mit ihren großen braunen Augen sich noch einmal bittend in die seinen versenken würde. Er konnte warten.
...
„Meine Güte, Emily, wie dieser Typ dich angestarrt hat. Das war echt unheimlich! Tue mir bloß einen Gefallen und gehe nicht alleine ins Kreisarchiv. Jedenfalls nicht, wenn dieser Typ gerade Dienst hat“, sagte Anna, als sie auf der Rückfahrt in ihrem Auto saßen.
„Ja, er war schon sehr gruselig und es hat so fürchterlich gemuffelt in diesen Räumen. Wer weiß, was der alte Kauz in den hinteren Kammern alles so versteckt hat!“, antwortete Emily.
Sie waren auf dem Weg zurück in Annas kleines Appartement. Sie wohnte in der Rheinstraße im Haus mit der Nummer vier. Das Häuschen wurde im Jahre 1222 erbaut und lag direkt am Zollturm. Früher wurde dieser Turm auch Rheinturm oder Petersturm genannt. Da das Häuschen bereits innerhalb der dicken Stadtmauern von Zons lag, gab es keine Parkplätze direkt vor dem Haus. Deshalb fuhr Anna auf den großen Parkplatz am Zollturm, der eigentlich für die vielen Besucher gedacht war, die am Wochenende das kleine Zons bevölkerten und die gerne durch dieses wunderbar erhaltene,
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