Der Puzzlemoerder von Zons
Winter hatte er ihn mit ein paar Körnchen ins Haus gelockt, sich dann auf ihn gestürzt und ihm mit einem Ruck den Hals umgedreht. Er tat dies so heftig, dass der Kopf des kleinen Spatzen dabei abriss und er in der einen Hand den Kopf und in der anderen den erschlafften Körper hielt. Dies gab ihm ein ganz wunderbares Gefühl von Macht. Endlich hatte er einmal die Kontrolle. Die Herrschaft über Leben und Tod lag nun im wahrsten Sinne des Wortes in seiner Hand.
Es folgten eine Reihe weiterer Vögel, doch irgendwann ging ihm das Machtgefühl verloren. Deshalb fing er an , sich größere Tiere zu suchen. Eine Katze ging ihm auf den Leim und er quälte sie erst mehrere Tage lang, bevor er sie dann endlich umbrachte. Er wartete darauf, dass Gott sie erlösen würde, doch er tat es nicht. Gott ließ ihn gewähren. Vielleicht war dies ja seine Bestimmung. Der Grund, warum er soviel leiden musste, war andere leiden zu lassen. Dadurch wurde sein Schmerz gelindert.
Er fing an zu glauben, dass Gott vielleicht doch die ganze Zeit bei ihm war und einfach nur wollte, dass er ein harter und starker Krieger wird. Jemand, der keine Angst mehr hatte und vor Nichts zurückschrecken würde. Er betete regelmäßig und begann sich dabei selbst zu geißeln. Mit der Zeit war er fest überzeugt davon, dass Gott bei ihm und er ein auserwählter Krieger des Herrn geworden war.
V .
Gegenwart
Anna erwartete Emily schon. Sie stand vor dem kleinen Häuschen am Zollturm, wo sich ihr Appartement im Obergeschoss befand.
„Warum stehst du denn hier in der Kälte?“, wollte Emily wissen.
„Mir ist die Decke auf den Kopf gefallen und ich brauchte unbedingt mal frische Luft. Nun schau mich nicht so sorgenvoll an. Ich sterbe nicht an kalter Luft!“, scherzte Anna.
„ Naja, wenigstens war der Schalk in ihre grünen Augen zurückgekehrt“, dachte Emily und hakte sich bei Anna unter.
Lachend gingen sie die Rheinstra ße Richtung Süden hinunter und bogen dann in die Schlossstraße ein. Dort machten sie es sich in dem kleinen Eckcafé gemütlich. Es war fast so wie früher und sie unterhielten sich köstlich.
„Wie eigenartig“, dachte Emily, „dass Annas Traurigkeit nahezu verflogen war.“
Da erzählte Anna im selben Augenblick, dass sie vor ein paar Tagen spät abends am Rhein spazieren war und dabei fast auf einer Bank eingeschlafen wäre.
„Als ich aufstand, waren meine Knochen echt schon total steif und bei den ersten Schritten dachte ich, ich würde barfuß über ein Nagelbrett laufen. Da stand plötzlich so ein Typ vor mir. Im ersten Moment habe ich mich richtig erschrocken und schon geglaubt, dass ich gleich überfallen werde. Aber dann hat er mich total nett angelächelt und mich ganz förmlich gefragt, ob er mich zu so später Stunde nach Hause begleiten dürfte. Stell dir vor, er nannte mich ‚edle Dame’ oder so. Erst habe ich gedacht, der ist doch völlig durchgeknallt. Mach, dass du hier so schnell wie möglich wegkommst. Doch er hat so ernst und fürsorglich dabei geschaut, dass ich es nicht fertigbrachte, ‚Nein’ zu sagen.“
„Aha“ , sagte Emily und grinste Anna dabei an, „und wie heißt deine neue Eroberung?“
Anna wurde rot im Gesicht.
„ Nein, es ist keine neue Eroberung. Es war einfach nur nett.“
„Komm schon Anna. Gib es wenigstens zu, dass er dein Typ war. Sah er gut aus? Beschreib ihn doch einfach mal!“
„Ehrlich gesagt , habe ich soviel von ihm gar nicht sehen können. Es war ja schon ziemlich dunkel und er hatte auch eine Kapuze auf. Aber ich gebe zu, dass er gut aussah. Braune Augen, blonde Haare und ziemlich groß.“
Emily nickte langsam und bedächtig mit dem Kopf und grinste Anna weiter an. Annas Mundwinkel fingen an zu zucken und dann brachen sie beide in schallendes Gelächter aus. Emily war sich sicher, dass Anna schon ein bisschen verknallt war. Konnte doch gar nicht anders sein. Schließlich war sie puterrot im Gesicht geworden, als sie nachgehakt hatte. Es freute Emily. Endlich kam Anna mal auf andere Gedanken. Dieser blöde Martin war die ganze Traurigkeit doch auch gar nicht wert.
„Wie läuft es eigentlich im Job?“, wollte Emily wissen, „was macht der Kampf ums liebe Geld?“
„ Ach, jetzt zieh mich nicht wieder auf!“, dachte Anna.
Sie kannte Emilys Abneigung gegen alles, was mit Geld oder Kapitalismus zu tun hatte. Aber sie war nun mal mit Leib und Seele Bankerin. Und Emily konnte sich über die Gewinne, die sie mit ihren Investmenttipps gemacht hatte ,
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