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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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zu einem Quacksalber in einem anrüchigen Viertel zu gehen. Oder sie wäre einfach verreist, hätte ihr Kind heimlich zur Welt gebracht und es zur Adoption freigegeben. Doch ihre Bekannten waren alle Bohèmiens und hatte große Ideale, vor allem, wenn es darum ging, dass andere nach ihnen lebten. Als sie andeutete, sie habe erwogen, das Kind auszutragen und selbst großzuziehen, waren sie sofort begeistert von der Idee und beglückwünschten sie zu ihrem Entschluss. Zwar änderte sie ihren Namen in Hester Grimes, aber das geschah aus rein beruflichen Gründen.
    Es vergingen beinahe zwei Jahre, bis Ellsworth Jordon sie wieder sah, und dann auch nur auf dem Fernsehschirm. Er war gerade aus Berlin zurückgekehrt und sah sich in seinem New Yorker Hotelzimmer spätabends die Damon Parker Talk Show an, als sie in einem tief ausgeschnittenen, hautengen Abendkleid auftrat und mit tiefer, kehliger Stimme einen Blues zu singen begann. Anschließend bot sie dem Gastgeber die Wange zum Kuss und nahm bei den anderen Gästen auf dem Podium Platz, um den Rest der Stunde mit belanglosem Geplauder zu verbringen. Aus Damon Parkers Fragen nach den Fortschritten ihrer Karriere ließ sich ersehen, dass sie zwar kein regelmäßiger Gast seiner Sendung, aber doch mehrmals schon bei ihm aufgetreten war. Später erzählte sie noch eine lustige Geschichte von der Party, die sie am ersten Geburtstag ihres Sohnes gegeben hatte. Sie so auf dem Fernsehschirm zu beobachten, hatte Jordon zwar in Erregung versetzt, aber er sagte sich energisch, er müsse die Vergangenheit hinter sich lassen und dürfe keinen Versuch machen, sie zu sehen. Die Story von der Geburtstagsparty jedoch stimmte ihn um. Nach Adam Riese musste der Junge sein Kind sein!
    Obwohl sie sich einverstanden erklärte, sich mit ihm zu treffen, tat sie das nicht, weil sie ihn sehen, sondern weil sie sich selbst testen wollte. Und als er in ihrer Wohnung erschien, stellte sie unbeteiligt fest, dass er körperlich weit weniger attraktiv war, als sie ihn in Erinnerung hatte. Die Haut an seiner Kehle schlug Falten, und er wirkte alt.
    «Du hast abgenommen, nicht wahr?», bemerkte sie.
    «Ganz recht. Ich war krank; eine leichte Herzattacke. Der Arzt wollte, dass ich abnehme und Anstrengungen vermeide.»
    «Das tut mir Leid.» Sie war nicht eigentlich besorgt um ihn, sondern nur höflich.
    «Der Junge, das ist doch meiner, nicht wahr?», fragte er eifrig.
    «Nein, Ellsworth. Er ist meiner.»
    «Du weißt schon, wie ich das meine»
    «Ja, natürlich.»
    «Warum hast du mir das nicht mitgeteilt? Warum hast du dich nicht mit mir in Verbindung gesetzt? Du hättest dir hier im Büro meine Adresse geben lassen können.»
    «Wozu, Ell?» Sie lachte. «Damit du heimkommen, mich heiraten und dem Kind einen Namen geben konntest? Oder hättest du verlangt, dass ich zu dir nach Deutschland ziehe, das Kind da zur Welt bringe oder es dort abtreiben lasse?»
    «Verdammt noch mal, Esther …»
    «Es ist nicht so leicht, ein Kind zu bekommen, Ell – vor allem, wenn man ganz allein ist. Aber wenn man’s durchgestanden hat, ist es nicht mehr so schlimm. Nach allem, was ich von einigen meiner Freundinnen höre, spricht eine ganze Menge dafür, ein Kind ohne die Einmischung eines Vaters großzuziehen.»
    Er glaubte, sie wolle ihm wehtun, und meinte, er müsse es ihr heimzahlen. «Das ist doch nur die Jüdin in dir», sagte er giftig. «Ihr leidet freudig, weil es euch Spaß macht, wenn wir uns schuldig fühlen.»
    Falls seine Worte trafen, so zeigte sie es nicht. Sie schüttelte den Kopf. «Nein, du irrst dich. Leiden müssen ist nicht schön. Jedenfalls für mich nicht. Aber es dauert ja nicht ewig.» Sie lächelte. «Und wie es sich so ergab: dass ich Billy ganz allein bekommen habe, hat mir zu meiner Karriere verholfen.»
    «Das vermittelte dir vermutlich eine ganz neue Gefühlstiefe», höhnte er.
    Sie lachte. «Nein, aber seinetwegen bekam ich meine erste Chance. Ich hatte einen Job in einem kleinen Nightclub. Die Gage war nicht hoch, aber ich war auch nicht besonders gut. Ich sang ein bisschen, erzählte ein paar Witze und gab ein paar Parodien zum Besten. Eines Abends dann kam Damon Parker mit einer ganzen Gesellschaft. Nach meinem Auftritt forderte er mich auf, mich zu ihnen zu setzen, aber ich antwortete, ich müsse heim, um Billy zu füttern. Er ist ein sehr gefühlvoller Mensch und war gerührt, als ich ihm erzählte, dass ich das Kind ganz allein großziehe. Er sah in mir ein Musterbeispiel – die

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