Der Rabbi
Tempel. Kein Zeichen an der Tür -
und es hätte doch eines da sein müssen, ein kleines, geheiligtes Zeichen.
Beim Eintritt zog er die jarmulka aus der Hüfttasche und setzte sie auf.
Drinnen war es kühler. Die Trennwände waren zum Großteil niedergerissen worden, um einen großen Raum für den Gottesdienst zu schaffen. Küche und Badezimmer hatte man belassen, und neben dem Flur lagen noch zwei kleine Zimmer, in denen sich ein Büro und ein Arbeitsraum für den Rabbiner einrichten ließ. Die Böden waren frisch gestrichen. Michael schritt über einen Fußpfad aus Zeitungspapier von Zimmer zu Zimmer.
Es gab keine bema , aber ein Schrein stand an der Wand. Er öffnete ihn und sah, daß er die Thora enthielt. Ein kleines Silberetikett auf dem umhüllenden Samt informierte ihn darüber, daß die Thora von Mr, und Mrs. Ronald G. Levitt im Gedenken an Samuel und Sarah Levitt gespendet worden war. Er strich über die Rolle und küßte dann seine Fingerspitzen, wie sein Großvater es ihn vor so vielen Jahren gelehrt hatte.
»Hab Dank für meinen ersten Tempel«, sagte er laut. »Ich will versuchen, ihn wahrhaft zu einem Haus Gottes zu machen.« Seine Stimme widerhallte hohl von den kahlen Wänden. Alles roch nach Farbe.
Das Haus Piedmont Road 18 war nicht getüncht und auch schon lange nicht mehr gereinigt worden. Überall lag Staub. Über die Decke krochen kleine rote Spinnen, und das Mittelfenster war besudelt mit weißem eingetrocknetem Vogelmist.
Leslie hatte einen Eimer gefunden und ihn, voll mit Wasser, auf den Gasherd gestellt; aber sie mühte sich vergeblich, das Gas anzuzünden.
»Es gibt kein heißes Wasser«, sagte sie. »Wir brauchen einen Mop und eine Reibbürste und Seife. Ich schreibe wohl am besten auf, was wir alles brauchen.«
Ihre Stimme war allzu ruhig und ließ ihn das Schlimmste erwarten, noch ehe er durch das Haus gegangen war. Die Einrichtung war die eines Sommerhauses und benötigte mehr als nur einen frischen Farbanstrich. Die Stühle waren wacklig, einem fehlte eine Sprosse, einem anderen ein Teil der Lehne. Im Schlafzimmer waren die fleckigen braunen Matratzen aufgestellt, so daß man die rostigen und eingesunkenen Sprungfedern sehen konnte. Die Tapete schien noch aus Vorkriegszeiten zu stammen.
Als er in die Küche zurückkam, konnte er ihr nicht in die Augen sehen. Sie hatte eben ihr letztes Streichholz an den Versuch gewendet, die Gasstichflamme anzuzünden.
»Zum Teufel«, sagte sie, »was ist los mit dem Ding? Die Zündflamme ist in Ordnung.«
»Wart einen Augenblick«, sagte er. »Hast du eine Nadel?«
Die einzige, die sie finden konnte, befand sich am Verschluß einer Gemmenbrosche, aber er verwendete sie dazu, die kleinen Löcher des Gasbrenners zu säubern. Dann riß er eines von seinen Streichhölzern an, und das Gas zündete mit einem Knall und brannte mit ruhiger blauweißer Flamme.
»Bis du mit der Seife zurückkommst, wird das Wasser heiß sein«, sagte sie.
Aber er drehte das Gas ab. »Heute abend werden wir beide arbeiten.
Aber vorher gibt es was zu essen.« Als sie ins Auto stiegen, wußten sie beide, wie erleichtert der andere war, aus dem schäbigen, schmutzigen Haus draußen zu sein.
Am Abend schrubbten sie im Schweiß ihres Angesichts Möbel und Wände. Als sie nach Mitternacht endlich fertig waren, wuschen sie einander gegenseitig, in der Badewanne stehend, sauber. Die Dusche funktionierte, aber Vorhang gab es keinen; Leslie drehte den Kaltwasserhahn zu voller Stärke auf und kümmerte sich nicht darum, daß die von ihren Körpern abspringenden Tropfen das ganze Badezimmer naß machten.
»Laß es trocknen«, sagte sie müde. Sie ging nackt ins Schlafzimmer und stöhnte. »Es gibt keine Leintücher.«
Sie wies auf die fleckigen Matratzen, und zum erstenmal zitterten ihre Lippen.
„Darauf kann ich nicht schlafen.«
Michael fuhr in seine Hosen und ging barfuß und ohne Hemd zum Wagen, in dessen Kofferraum sich zwei blaue, in einem Überschußgüter-Laden erstandene Navy-Decken befanden. Die trug er ins Haus und spannte sie über die Matratzen, und Leslie drehte das Licht ab. Sie lagen im Dunkel nebeneinander, und er, der sie wortlos zu trösten versuchte, wußte nichts Besseres, als den Arm um sie zu legen und ihren nackten Körper an sich zu ziehen; aber sie antwortete nur mit einem leisen kehligen Ton, der halb Stöhnen, halb Seufzer war.
»Heiß«, sagte sie.
Er küßte sie auf die Stirn und rückte von ihr ab. Es war das erstemal, daß
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