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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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sie sich ihm verweigert hatte. Er zwang sich, an anderes zu denken, an den Tempel, seine erste Predigt, an die geplante Hebräisch-Schule. Die Hitze lastete auf ihnen, die Wolldecken waren rauh; irgendwie schliefen sie ein.
    Am Morgen erwachte Michael als erster. Er lag da und betrachtete seine schlafende Frau: ihr Haar, das von der gestrigen Dusche und der Feuchtigkeit glatt und strähnig war; ihre Nasenflügel, die sich bei jedem Ausatmen wie nachzitternd fast unmerklich bewegten; das braune Muttermal unter ihrer rechten Brust, aus dem ein einzelnes goldenes Haar wuchs; ihre Haut, die weiß und weich war unter der feuchten Hitze. Endlich schlug sie die Augen auf. Lange sahen sie einander an. Dann zupfte sie ihn an den Haaren auf seiner Brust und sprang aus dem Bett.
    »Stehen Sie auf, Rabbi, wir haben einiges vor. Ich möchte aus diesem Misthaufen eine Wohnung machen.«
    Sie duschten wieder und entdeckten erst nachher, daß die frischen Handtücher noch im Kofferraum ihres Wagens lagen. So fuhren sie, tropfnaß, wie sie waren, in die Wäsche, und ließen sich von der Luft trocknen, während sie ein Frühstück aus Milch und Cornflakes aßen, die sie am vergangenen Abend gekauft hatten.
    »Als erstes solltest du Leintücher besorgen«, sagte Leslie.
     
    »Ich hätte gern auch ein ordentliches Bett. Und ein paar Möbel für die Eßnische «
    »Sprich zuerst mit dem Eigentümer. Schließlich haben wir das Haus möbliert gemietet. Vielleicht wechselt er ein paar Stücke aus.« Sie zog überlegend die Brauen hoch. »Wieviel haben wir noch auf der Bank?
    Für das Haus müssen wir neunzig Dollar im Monat zahlen, ihrem Brief zufolge.«
    »Wir haben genug«, sagte er. »Ich rufe jetzt Ronald Levitt an, den Gemeindevorsteher, und frage ihn nach den jüdischen Geschäften hier in der Stadt. Schließlich kann ich das, was wir brauchen, auch bei den Leuten kaufen, die mein Gehalt bezahlen.«
    Er rasierte sich, so gut es mit kaltem Wasser möglich war, zog sich an und küßte sie zum Abschied.
    »Kümmere dich heute nicht um mich«, sagte sie. »Kauf ein, was wir brauchen, und laß es im Wagen, während du im Tempel zu tun hast.
    Ich werde drüben auf dem Hauptplatz zu Mittag essen.« Nachdem er gegangen war, holte sie ihre alten Jeans und eine ärmellose Bluse aus dem Koffer und zog sie an. Sie strich ihr Haar mit einer Hand zurück und faßte es mit einem Gummiband zu einem Pferdeschweif zusammen. Dann machte sie Wasser heiß und kniete sich barfuß hin, um den Boden zu schrubben.
    Im Badezimmer fing sie an, dann kam das Schlafzimmer an die Reihe, dann das Wohnzimmer. Sie war eben mit dem Küchenboden beschäftigt, als sie, mit dem Rücken zur Tür kniend, spürte, daß sie beobachtet wurde, und über die Schulter zurückblickte. Der Mann stand auf der hinteren Veranda und lächelte sie an. Sie ließ die Bürste in den Eimer fallen, stand auf und wischte sich die Hände an ihren Jeans ab.
    »Bitte?« sagte sie unsicher. Er trug blauweiß-gestreifte Leinenhosen, ein kurzärmeliges weißes Hemd, Krawatte und einen Panamahut, aber kein Jackett. Ich muß es Michael sagen, dachte sie, offenbar ist es hier ganz in Ordnung, ohne Rock zu gehen.
    »Ich bin David Schoenfeld«, sagte er. »Ihr Vermieter.« Schoenfeld.
    Sie erinnerte sich, daß er zum Gemeindeausschuß gehörte. »Kommen Sie weiter«, sagte sie. »Entschuldigen Sie, ich war so beschäftigt, daß ich Sie nicht klopfen gehört habe.«
    Er lächelte, als er eintrat. »Ich habe nicht geklopft. Sie haben so hübsch ausgesehen, wie Sie so eifrig bei der Arbeit waren, ich wollte Ihnen einfach ein wenig zuschauen.«
    Sie musterte ihn vorsichtig, spürte wie mit unsichtbaren Antennen, was da an männlicher Bewunderung auf sie zukam, aber sein Lächeln war freundlich und sein Blick distanziert.
    In der Küche setzten sie sich. »Ich kann Ihnen leider nichts anbieten«, sagte sie. »Wir sind noch keineswegs eingerichtet.«
    Er machte eine kleine abwehrende Geste mit der Hand, die den Hut hielt. »Ich wollte nur Sie und den Rabbiner in Cypress willkommen heißen. Wir sind Neulinge in diesen Dingen, wissen Sie.
    Wahrscheinlich hätten wir ein Komitee bestellen sollen, das alles für Sie vorbereitet. Brauchen Sie irgend etwas?«
    Sie lachte. »Ein anderes Haus. Dieses gehört zweifellos gründlich überholt.«
     
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte er. »Ich war vor dem Krieg das letztemal hier herinnen. Während ich in der Armee war, hat sich ein Gebäudemakler darum

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