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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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ausprobieren.«
    Sie gingen so weit, daß die dicke Frau sie nicht mehr sehen konnte, und wiederholten dann die Vorführung, der sie eben beigewohnt hatten. Das Mädchen goß Wasser in den Ausschnitt ihres Badeanzugs, und er hütete sich, zu lächeln. Es war eine ernsthafte Angelegenheit, und sie fanden es äußerst erfreulich. Als nichts mehr über dem Wasser war als ihre Köpfe, schwammen sie aufeinander zu, bis Mund und Mund einander beinahe berührten ...
    Sie war auf einer Truthahnfarm in Clinton, Massachusetts, aufgewachsen.
    Truthahn und jede andere Art von Geflügel war ihr zuwider.
    Auch Eier waren ihr zuwider.
    Aber halbgares Fleisch hatte sie gern.
    Und trillo.
    Und Gershwin.
    Und Paul Whiteman.
    Und Sibelius.
    Scotch mochte sie nicht.
    Aber sie mochte guten Sherry.
     
    Und sie mochte das Ballett, aber sie hielt sich nicht für begabt genug, um das Tanzen zu ihrem Beruf zu machen.
    Sie wollte in Radcliffe studieren, dann Sozialarbeiterin werden, dann Ehefrau und dann Mutter - in dieser Reihenfolge.
    Das Wasser war warm, aber schließlich wurden ihre Lippen beinahe blau.
    Die Leute verließen schon allmählich den Strand, aber die beiden saßen noch immer im Wasser, landwärts getrieben von den landwärts treibenden Wellen und von den zurückkehrenden wieder meerwärts gespült. Dann und wann mußten sie ihren Platz ein wenig wechseln, um in der gewünschten Wassertiefe zu bleiben. Sie begann zu fragen.
    An welche Schule er gehe? Columbia. Welches sein Hauptfach sei?
    Physik. Welchen Beruf sein Vater habe? Erzeugt Büstenhalter.
    Ob er New York möge? Doch, vermutlich.
    Ob er ein gläubiger Jude sei? Ich weiß nicht.
    Wie ein Gottesdienst in einer Synagoge vor sich gehe? Wahrscheinlich ungefähr so wie ein Gottesdienst in einer Kirche, nur auf hebräisch.
    Aber er konnte ihr das nicht genau sagen, denn er war niemals bei einem Gottesdienst in einer Kirche gewesen.
    Was das Wort »koscher« eigentlich bedeute?
    »Herr Jesus«, sagte er, »Sie brauchen nicht mehr studieren, um Sozialarbeiterin zu werden. Sie machen da schon eine ganz ausgezeichnete ethnische Studie.«
    Ihr Blick wurde kalt. »Ich habe Ihnen geantwortet. Auf jede Frage.
    Sie Narr, jetzt haben Sie alles verdorben.« Sie erhob sich, aber er legte die Hand auf ihren Arm und bat ihr ab, daß er sie verletzt hatte.
    »Fragen Sie alles, was Sie mich fragen wollen«, sagte er. Sie hockten sich wieder ins Wasser. Ihre Lippen waren fast weiß, ihr Gesicht von der Sonne gerötet.
    Ob er Geschwister habe? Eine ältere Schwester. Ruthie.
    Wie sie sei, diese Schwester? Ein blöder Trampel. In diesem Sommer sei sie in Palästina.
    Ob er sich so grob ausdrücken müsse? Manchmal tue es gut. Ob er Ruthie nicht trotzdem liebe, so ganz tief und uneingestanden? Das glaube er eigentlich nicht.
    Wo er wohne? In Queens.
    Ob es in der Wohnung einen Speisenaufzug gebe? Ja.
    Ob er sich je als Kind darin versteckt habe? Aber wo! Die Mutter hat aufgepaßt, daß immer abgesperrt war und man nicht hineinfallen konnte.
    Ob er Opern liebe? Nein.
    Ballett? Er habe nie eines gesehen.
    Welcher sein Lieblingsschriftsteller sei? Stephen Crane.
    Ob die New Yorker Mädchen wirklich so leichtfertig seien? Diejenigen, die er kenne, nicht.
    Ob er schon jemals verliebt gewesen sei? Bisher nicht. »Spielen Sie nicht den Erfahrenen«, sagte sie. »Das könnte ich nicht vertragen - im Ernst.«
    »Ich bin nicht erfahren«, sagte er. Vielleicht erschreckte sie die Direktheit seiner Antwort, jedenfalls hörte sie auf, ihn auszufragen, und in schweigendem Einverständnis erhoben sie sich und verließen ihr Meer. Der Strand war fast menschenleer. Die Sonne ging unter, und die Luft war so kühl geworden, daß Ellen fröstelte. Sie begannen zu laufen, um warm zu werden, aber die Steine machten ihren nackten Sohlen zu schaffen.
    Sie hob den Fuß, den sie sich blutig gestoßen hatte, und biß sich dabei in die Lippe. »Ein sauberer Steinbruch ist das hier«, sagte sie.
    »Da ist der Hotelstrand doch etwas anderes! Ein Sand ist das dort -
    wie Seide! «
    »Guter Witz«, sagte er. Der Hotelstrand war den Gästen vorbehalten.
    Den Angestellten bläute man ein, daß sie sofort entlassen würden, wenn man sie dort anträfe.
    »Ich gehe jede Nacht dorthin schwimmen. Wenn alles schon schläft.«
    Ein Schauer lief über seine Haut. »Darf ich Sie einmal dort treffen?«
    Sie sah ihn an und lachte. »Halten Sie mich denn für verrückt?
    Ich würde mich doch nie dorthin wagen.« Sie hob ihr Handtuch auf

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