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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Nummer der Zeitung und verlangte Leslie.
    »Ich bin es, Michael«, sagte er, als er ihre Stimme hörte. Sie schwieg.
    »Ich würde Sie heute abend sehr gern wiedersehen.«
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?« fragte sie. Ihre Stimme klang fremd. Offenbar schirmte sie die Sprechmuschel ab, damit ihre Mitarbeiter an den Nebentischen nicht mithören konnten. »Ich möchte, daß wir Freunde werden.«
    »Wohl wegen der Geschichte, die ich Ihnen im Frühjahr erzählt habe?
    Das ist Ihr Sozialfürsorger-Komplex. Sie sehen in mir einen lohnenden Fall.«
    »Reden Sie nicht solchen Unsinn! «
    »Na gut, also kein Fall. Aber leicht herumzukriegen - ist es vielleicht das, Michael? Ein kleines Verhältnis in aller Stille, bevor Sie wieder in Ihre Berge gehen?«
     
    Er wurde wütend. »Passen Sie auf, ich spreche von Freundschaft.
    Wenn Sie das nicht wollen, dann gehn Sie zum Teufel! Also, wie ist es: soll ich um fünf Uhr kommen oder nicht?«
    »Kommen Sie.«
    Diesmal aßen sie in einem schwedischen Restaurant zu Abend und hörten dann bei Eddie Condon's im Village Musik. Vor dem Haustor gab sie ihm die Hand, und er küßte sie auf die Wange. Der folgende Abend war der Freitagabend, und Michael ging mit seinen Eltern in die Synagoge, innerlich knirschend den ganzen oneg schabst lang, in dessen Verlauf ihn seine Mutter einem Halbdutzend Leuten, die er ohnehin schon kannte, mit »Mein Sohn, der Rabbi« vorstellte, wie in den jüdischen Witzen.
    Am Samstag wollte er Leslie anrufen, aber nachdem er die ersten zwei Nummern durchgewählt hatte, hielt er plötzlich inne und fragte sich, was er denn da tue; es war wie das plötzliche Erwachen aus einem Traum.
    Er setzte sich in den Wagen und fuhr lange Zeit dahin, und als er endlich um sich sah, war er in Atlantic City. Er parkte den Wagen, klappte den Mantelkragen hoch und ging die Küste bis ans Wasser hinunter. Dabei spielte er das übliche Spiel aller Strandspaziergänger, ließ das Wasser bis knapp an sich heranzischen und trat erst im letzten Moment zurück, um nicht nasse Füße zu bekommen. Dann und wann, wenn er zu lange stehenblieb, gewann das Meer. Er wußte, daß es ein törichtes Spiel war, ebenso töricht wie das eines Rabbiners, der hinter einer Pfarrerstochter her war. Beide Spiele konnte man nur gewinnen, indem man weit und auf Dauer zurücktrat. Also keine gemeinsamen Abendessen mehr, keinerlei Scherze, kein verstohlenes Studium ihres Profils mehr, noch irgendeine Begierde nach ihrem Körper. Er gelobte sich, sie nicht mehr anzurufen, nicht mehr zu sehen und zu sprechen, sie auszutilgen aus seinen Gedanken. Der Entschluß gab ihm Erleichterung, und er trat vom Wasser zurück, von traurigem Stolz erfüllt, beschleunigte seine Schritte und pumpte die salzige Luft in seine Lungen, während er über den festen Sandgrund schritt. Der Wind wehte ihm Gischttropfen ins Gesicht und drang gelegentlich auch durch seinen Mantel. So kehrte er schließlich der Küste den Rücken, betrat eines der von den üblichen Strandbesuchern besetzten Lokale und nahm eine nichtssagende Mahlzeit zu sich.
    Er kreuzte weiterhin ziellos durch New Jersey, und es war kurz vor Mitternacht, als er wieder in New York eintraf, anhielt und sie von einer Telephonzelle in einem durchgehend geöffneten Drugstore anrief; als sie sich nach langem, vergeblichem Läuten meldete, fühlte er den Traum in alter Stärke wieder in sich aufleben.
    »Ich habe Sie doch nicht geweckt?« fragte er. »Nein.«
    »Wollen wir zusammen Kaffee trinken?«
    »Ich kann jetzt nicht. Bin. gerade beim Haarewaschen. Ich habe nicht mehr geglaubt, daß Sie heute noch anrufen.«
    Er schwieg. »Aber ich habe morgen frei«, sagte sie. »Wollen Sie zum Mittagessen heraufkommen?«
    »Wann?«
    Sie bewohnte ein großes möbliertes Zimmer. »Gargonniere nennt sich das«, sagte sie, während sie ihm den Mantel abnahm. »Es unterscheidet sich von einem Studio-Apartment nur durch die Kochnische, oder auch umgekehrt.« Sie lächelte. »Ich hätte ja etwas Besseres kriegen können, aber nur mit einem oder zwei anderen Mädchen zusammen. Und nach vier Jahren Schlafsaal bedeutet einem Alleinsein schon etwas.«
    »Es ist sehr hübsch«, log er.
    Es war ein düsterer Raum mit einem großen Einzelfenster, das sie durch leuchtende Vorhänge zu verschönern versucht hatte. Auf dem Boden lag ein recht abgetretener Orientteppich, dann gab es häßliche altmodische Beleuchtungskörper, einen durchgesessenen Polsterstuhl, einen lackierten Tisch und zwei

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