Der Rabbi
die Füße zu trocknen. Nachdem auch sie herausgestiegen war, tranken sie in ihrem Zimmer Kaffee, und die ganze Zeit über spürte er, wie der feucht gewordene Hosenaufschlag an seinem Knöchel juckte.
»Wenn Sie kein Rabbiner wären«, sagte sie langsam, »hätten Sie es schon viel früher ernsthaft bei mir versucht, nicht wahr?«
»Ich bin aber Rabbiner.«
»Gewiß. Ich möchte es ja auch nur wissen. Trotz all der Schwierigkeiten mit jüdisch und christlich - hätten Sie es nicht doch versucht, wenn wir einander vor ihrem Amtsantritt kennengelernt hätten?«
»Doch«, sagte er.
»Das hab ich gewußt.«
»Sollen wir einander nicht mehr sehen?« fragte er bekümmert. »Ich war so gern mit Ihnen beisammen.«
»Aber nein, warum denn«, sagte sie. »Es war so schön. Es hat keinen Sinn, die körperliche Anziehung zu leugnen. Aber schließlich ist das eine ... chemische Reaktion..., die zwar ein gegenseitiges Kompliment bedeutet - das heißt, wenn Sie mir gegenüber irgend etwas Derartiges spüren -«
»Das tu ich.«
»Nun - dann ist das zwar ein hübscher Beweis für unser beider guten Geschmack in bezug auf das andere Geschlecht, aber es bedeutet nicht, daß wir deshalb auch schon irgendeine körperliche Beziehung haben müßten. Warum sollten wir nicht imstand sein, über den körperlichen Wünschen zu stehen und eine Freundschaft fortzusetzen, die mir jetzt schon unendlich viel bedeutet.«
»Das ist auch meine Meinung«, stimmte er eifrig zu, und sie stellten die Kaffeetassen hin und schüttelten einander die Hände. Und dann redeten sie lange und über vieles. Sein Hosenaufschlag wurde trocken, und sie beugte sich vor, um ihm besser zuhören zu können, und legte dabei die Arme auf den Tisch; er seinerseits zog, während er sprach, einer rein freundschaftlichen Zuneigung folgend, mit der Fingerspitze die schöne Linie ihrer Unterarme nach, an der Außenseite, wo die kurzen Härchen so golden schimmerten, daß sie fast durchsichtig waren, und weiter über das schmale Handgelenk, strich ihre Finger entlang, jeden einzeln, aufwärts und rundherum, und auf und ab, und auf und ab, und auf und ab, und aufwärts und herum um den Daumen, und weiter aufwärts an der weichen warmen Innenseite des Armes - und dabei begann ihr Gesicht vor Freude zu strahlen, und sie sprach und hörte zu und lachte oft über die Dinge, die er sagte.
Am Donnerstag ging er mit ihr zu Maury Silversteins Party. Er hatte den Wagen in einer Garage in Manhattan zum Service stehen, und er holte ihn ab, bevor er sie anrief. Es war noch früh, und so fuhren sie zuerst in Richtung Stadtrand, auf Morningside Heights zu; vor dem Haus, in dem die Shaarai-Shomayim- Synagoge untergebracht war, parkte Michael den Wagen und deutete auf die schul und erzählte Leslie von Max.
»Das muß ein großartiger Mensch sein«, sagte sie und schwieg dann eine Weile. »Wissen Sie, daß Sie ein wenig Angst vor ihm haben?« fragte sie schließlich.
»Nein«, sagte er. »Da haben Sie unrecht.« Und er spürte Ärger in sich aufsteigen.
»Haben Sie ihn während der letzten zehn Tage gesehen?« »Nein.«
»Meinetwegen, nicht wahr? Er wäre wohl nicht damit einverstanden, daß Sie mit mir beisammen sind?«
»Nicht einverstanden? Der Schlag würde ihn treffen. Aber er lebt in seiner Welt, und ich in der meinen.« Und er startete den Wagen.
Maurys Wohnung war klein, und die Gesellschaft war schon recht zahlreich, als Michael und Leslie eintrafen. Sie drängten sich durch ein Dickicht von Leuten, die tranken, und Leuten, die Gläser hielten, und suchten nach dem Gastgeber. Michael kannte niemanden, mit Ausnahme eines dunkelhaarigen kleinen Mannes mit einem Spitzmausgesicht, einer bekannten Stimmungskanone in Gesellschaft und Fernsehen; er stand inmitten einer Gruppe lachender Leute und hatte auf jedes auch noch so ausgefallene Stichwort prompt einen Witz zur Hand.
»Da ist er ja«, brüllte Maury und winkte Michael zu, und sie drängten sich durch die Umstehenden zu dem Gastgeber und seinem Gesprächspartner. »Na, du alter Gauner«, sagte Maury und faßte Michael mit der freien Hand am Ärmel. Er war stärker geworden, hatte Ansätze zu Tränensäcken unter den Augen, aber sein Rumpf wirkte noch immer geschmeidig und muskulös. Michael meinte zu s e h e n, wie er allabendlich nach Büroschluß auf kürzestem Weg zur Sporthalle eilte; vielleicht auch war einer der Schränke in dieser Wohnung vollgestopft mit Keulen und Hanteln, Hanteln, wie sie auch Abe Kind
Weitere Kostenlose Bücher