Der Rabbi
jahrelang benützt hatte. Michael machte Leslie mit den beiden bekannt, und Maury stellte ihnen seinen Chef vor, einen stets lächelnden Herrn namens Benson Wood, mit großflächigem Gesicht und der dicksten Hornbrille, die Michael jemals gesehen hatte. Michael war Luft für ihn, der nur Augen für Leslie hatte, ihr betrunken zulächelte und ihre Hand auch nach der Begrüßung nicht losließ. »Meines Freundes Freunde sind meine Freunde«, sagte er, jede Silbe gewichtig betonend.
»Da ist jemand, den du kennenlernen mußt-sehr begabter Bursche«, sagte Maury und zog Michael am Arm zu jener Gruppe um den spitzmausgesichtigen Kerl. »So, da wäre er, George«, wandte er sich an den Komödianten. »Der, von dem ich dir neulich erzählt hab -
der Rabbiner! «
Der Komiker machte die Augen schmal. »Rabbiner. Rabbiner. Kennen Sie den von dem Rabbiner und dem Pfarrer -«
»Kenne ich«, sagte Michael.
»- die befreundet waren, und der Pfarrer sagt zum Rabbiner, du, hör mal, sagt er, du mußt einfach diesen Schinken probieren, der ist delikat. Und der Rabbiner sagt darauf: Du, hör mal, du mußt einfach das Mädel da probieren, der Schinken da ist Dreck dagegen -« »Ja, ja, kenne ich«, sagte Michael nochmals, während die Umstehenden sich vor Lachen schüttelten.
»ja?« Der Komiker kniff die Augen zusammen und preßte die Finger an die Stirn. »Ja, ja ... Kennen Sie auch den mit dem Kerl, der eine gefällige Lady aus dem Süden ins Drive-in-Kino fährt, und dann bestürmt er sie um ihre Gunst, und als sie ja sagt, ist der Film vorüber, und er muß den Wagen nach hinten hinausfahren.« »Nein«, sagte Michael.
Abermals kniff sein Gegenüber die Augen zusammen. »Nein. Nein«, überlegte er. Michael wandte sich ab und begab sich wieder zu Leslie, die noch immer Aug in Aug mit Wood stand. »Wollen Sie lieber gehen?«
fragte Michael.
»Erst noch irgendwas trinken.« Und sie wandten sich ab und ließen Wood einfach stehen.
Als Bar diente ein an die Wand gerückter Tisch. Zwei Mädchen standen schon davor, und Michael wartete geduldig, bis sie mit dem Mixen ihrer Drinks fertig waren. Beide waren sie groß, die eine rot, die andere blond, von ausgezeichneter Figur, aber mit durchtriebenen, aufdringlich geschminkten Gesichtern. Photomodelle wahrscheinlich, oder auch beim Fernsehen, dachte er. »Nach der Bruchoperation war er ein anderer Mensch«, sagte die eine soeben.
»Hoffentlich«, gab die Rote zurück. »Sooft er im Sekretariat angerufen hat und die Hexe hat mich hinübergeschickt - sein Diktat war einfach nicht mehr auszuhalten. Ich begreife nicht, wie du das monatelang durchgestanden hast. Ich bin fast eingegangen, so lange hat er zu jedem Satz gebraucht.«
Hinter ihnen schrie eine Frau plötzlich auf, und als sie sich umwandten, sahen Michael und Leslie, wie Wood sich übergab: die Leute stießen einander in dem überfüllten Raum, bestrebt, aus seiner Reichweite zu kommen, und verschütteten die Drinks auf ihrer Flucht. Von irgendwoher tauchte Maury auf, sagte »Okay, Wood«, stützte seinen Chef und hielt ihm den Kopf. Sieht aus, als wäre er an solche Hilfeleistungen gewöhnt, dachte Michael. Das Mädchen, das aufgeschrien hatte, hielt sein Kleid vom Busen ab, mit allen Anzeichen des Ekels und der Wut.
Michael ergriff Leslies Hand und führte sie weg.
Den Drink nahmen sie später, in Leslies Zimmer. »Brrr«, machte sie und schüttelte den Kopf.
»So eine Schweinerei! Armer Maury! «
»Dieser lärmende Lümmel. Und der häßliche kleine Kerl mit den Witzen. Wenn er das nächstemal im Fernsehen erscheint, dreh ich den Apparat ab.«
»Den Star haben Sie vergessen.«
»Keineswegs. Dieses gräßliche Schwein mit dem geänderten Namen.« Er hatte das Glas an die Lippen geführt, aber er trank nicht, stellte es zurück auf den Tisch. »Geänderten Namen? Wood?« Er sah sie ungläubig an. »Sie meinen, er hat einmal so ähnlich geheißen wie Rivkind?« Sie schwieg.
Er stand auf und griff nach seinem Mantel. »Er war ein goj, meine Liebe.
Ein lauter, schmutziger, geiler goj. Ein besoffenes Schwein von einem Christen. Einer von euch.«
Sie konnte es nicht fassen, als sie die Tür hinter ihm ins Schloß fallen hörte.
Am Samstagabend blieb Michael zu Hause und spielte Casino mit seinem Vater. Abe war ein guter Kartenspieler. Er wußte immer, wie viele Pik schon gefallen waren und ob von den zehn Assen die zwei guten noch im Talon lagen. Wenn er verlor, konnte er vor Enttäuschung die Karten auf den
Weitere Kostenlose Bücher