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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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unbequeme Holzsessel; schließlich einen soliden Mahagonischreibtisch, den sie wahrscheinlich selbst gekauft hatte, und zwei Bücherschränke, die Lehrbücher und eine große Anzahl moderner Romane enthielten.
    Die winzige Küche bot kaum Raum genug, um auf dem zweiflammigen Gasherd kochen zu können. Der
    Miniaturkühlschrank stand unter dem Spülstein. Leslie brachte Michael einen Martini, und er nahm auf der harten Couch Platz und nippte daran, während sie das Mittagessen bereitete.
    »Ich hoffe, Sie essen gern reichlich«, sagte sie.
    »O ia. Dann brauchen wir weniger zum Abendessen. Denken Sie nur, wieviel Geld mir das erspart.«
    Es gab dänischen Käse und Salzgebäck, Tomatensaft, eine Vorspeise mit viel Anchovis, Kalbskoteletts mit Parmesan, einen Zitronenkuchen und schwarzen, türkischen Mokka. Nachher machten sie sich zusammen an die Lösung des Times-Kreuzworträtsels, und als sie nicht weiterkamen, wusch sie das Geschirr, und er half ihr beim Abtrocknen.
    Nach dem Wegräumen saß er auf der Couch, rauchte und hatte nur Augen dafür, wie ihre Brüste sich flachdrückten, während sie auf dem Bauch lag und Wort für Wort von dem Kreuzworträtsel abstrich.
    Schließlich musterte er ihre Bücher. »Eine Menge Gedichte«, stellte er fest.
    »Ich mag Gedichte gern. Meine Literatur-und meine Menschenkenntnis verdanke ich demselben Werk, dem Werk, das jedes Pfarrerskind kennt.«
    »Der Bibel?«
    »Mhm.« Sie lächelte und schloß die Augen. »Als junges Mädchen träumte ich am hellichten Tag davon, daß mein Mann mir in der Hochzeitsnacht das Lied der Lieder rezitieren würde.«
    Er wünschte inständig, ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen, ihr das Haar von den rosigen Ohren zu streichen und sie dort zu küssen.
    Statt dessen griff er nach dem Aschenbecher hinter ihr und klopfte seine Pfeife aus. »Hoffentlich tut er's«, sagte er leise. Am Montag machte sie sich früh vom Büro frei; sie gingen in den Bronx Zoo und lachten viel über die Affen und das scheußliche Stinktier in seinem Käfig, bei dessen Anblick er, wie sie beschwören wollte, leicht grün im Gesicht wurde. Am Dienstag gingen sie in die Metropolitan zu
    »Aida« und aßen nachher bei Luchow spät zu Abend. Sie war voll des Lobes über das dunkle Bier. »Es schmeckt wie aus Pilzen gebraut«, sagte sie. »Essen Sie gern Pilze?« »Mit Begeisterung.«
     
    »Dann geben Sie das Rabbinat auf, und ich geb die Zeitung auf, und wir werden Bauern und züchten viele Tausende Pilze in herrlich dampfenden Mistbeeten.«
    Er sagte nichts, und sie lächelte. »Armer Michael. Sie können sich nicht einmal im Spaß vorstellen, das Rabbinat aufzugeben, nicht wahr?«
    »Nein«, erwiderte er.
    »Das freut mich. So ist es richtig. Wenn ich einmal eine alte Frau sein werde und Sie ein großer Führer Ihres Volkes geworden sind, dann werde ich mich daran erinnern, wie ich Ihnen geholfen habe, ihren Urlaub zu verbringen, als wir beide noch jung waren.«
    Er sah sie an, sah, wie sie das Glas an die Lippen setzte und das dunkle Bier schlürfte. »Sie werden eine prächtige alte Dame abgeben«, sagte er.
    Am Mittwoch aßen sie früh und gingen dann ins Museum of Modern Art, schlenderten herum und schauten und redeten, bis sie nichts mehr aufnehmen konnten. Er schenkte ihr einen kleinen gerahmten Druck, der die Vorhänge im Kampf gegen die Düsterkeit ihres Zimmers unterstützen sollte: drei Flaschen in orange, Blau und Umbra von einem Künstler, den sie beide nicht kannten. In ihrer Wohnung hängten sie das Bild gemeinsam auf. Leslies Füße schmerzten, und er ließ heißes Wasser in die Badewanne rinnen, während sie nebenan Schuhe und Strümpfe auszog und dann, den Rock über die Knie gerafft, in die Wanne stieg und sich auf den Rand setzte. Sie bewegte die Zehen im warmen Wasser hin und her und gab dabei Laute so tiefen Wohlbehagens von sich, daß auch er seine Schuhe und Socken auszog, die Hosen aufkrempelte und sich neben sie setzte, während sie so lachte, daß sie sich am Wannenrand halten mußte, um nicht hineinzufallen. Seine Zehen und ihre Zehen begannen einander Unterwassersignale zu geben, und sein linker Fuß wagte sich vor, ihrem rechten Fuß zu begegnen, und ihr rechter Fuß kam ihm auf halbem Weg entgegen, und die Füße spielten miteinander wie Kinder und dann wie Liebende. Er küßte sie heftig, und dabei löste sich das hochgerollte rechte Hosenbein und glitt ins Wasser. Sie lachte noch mehr, als er ärgerlich wurde und aus der Wanne sprang, um sich

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