Der raetselhafte Kunstraub
Satz und flitzte davon. Vater Kubatz war Herausgeber und Hauptschriftleiter der Bad Rittershuder Nachrichten in einer Person. Er hatte es im Augenblick wirklich sehr eilig. Aber auch wenn er nicht so im Druck war, fuhr er sein Auto bis zur Grenze der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Als Zeitungsmann mußte man immer den Eindruck erwecken, irgendeiner ungeheuer wichtigen Sache nachzujagen.
In einer Schokoladenfabrik ist Ostern im Winter
Der Schokoladenfabrikant Ludwig Hugendubel hatte in der vergangenen Woche seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert, war ein leidenschaftlicher Golfspieler und für sein Alter noch schlank wie eine Tanne. Im Augenblick saß er.
Aber natürlich nicht in irgendeinem Gefängnis.
Das Sitzen von Herrn Hugendubel war in diesem besonderen Falle auf die Ausdrucksweise von Malern und Bildhauern zurückzuführen. Sie sagen üblicherweise von ihren Modellen: Er oder sie sitzt mir.
Der Schokoladenfabrikant Ludwig Hugendubel saß im Augenblick dem südamerikanischen Künstler Salvatore Ambrosi.
„Sie können gerne sprechen“, sagte Salvatore Ambrosi gerade. Er beschäftigte sich auf seiner Leinwand augenblicklich mit dem rechten Ohr von Herrn Hugendubel. Dazu brauchte er einen feinen Pinsel und eine ganz ruhige Hand.
„Eigentlich eine Kateridee, daß ich mich da in Ölfarbe von Ihnen malen lasse“, knurrte der Schokoladenfabrikant und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarre.
^Por favor“, unterbrach der Künstler. „Bitte geschätzten Blick immer lassen auf der gleichen Stelle.“
^Ja, ich weiß, drüben, die drei Birken.“ Herr Hugendubel pustete seinen Zigarrenrauch in die Luft und blickte wieder bewegungslos in die befohlene Richtung. Aber er knurrte dabei weiter. „Die Malerei ist eine überholte Sache. Schön, wenn früher jemand unbedingt ein Konterfei von sich haben wollte, blieb ihm nichts anderes übrig. Aber heutzutage läßt man sich doch einfach fotografieren. Das macht ,klick’ und ist im Handumdrehen passiert. Wenn man will, auch in Farbe. Aber hier sitze ich nun schon zum dritten Mal stundenlang in diesem Korbsessel, und die Zeit läuft mir davon wie ein aufgeschrecktes Eichhörnchen. Dabei müßte ich mich jetzt um unsere Weihnachtsmänner kümmern und um die gefüllten Tannenzapfen.“
„Wir haben doch gerade erst Ostern gehabt“, erlaubte sich Señor Ambrosi zu bemerken. Dabei verglich er jetzt das Modell in dem Korbsessel mit dem, was er inzwischen auf seine Leinwand gepinselt hatte. Dabei trat er einen Schritt zurück und kniff das linke Auge zusammen.
„In einer Schokoladenfabrik ist Weihnachten im Frühjahr und Ostern im Winter“, lächelte Herr Hugendubel und ließ mal wieder ein paar Wölkchen Zigarrenrauch in den Himmel steigen. „Wenn alle unsere Schokoladenhasen und Eier rechtzeitig zu Ostern in den Geschäften sein sollen, müssen wir schon Monate vorher mit dem Gießen und Einpacken in Stanniolpapier anfangen. Und genauso ist es an Weihnachten. Während hier im Garten die Gänseblümchen blühen, fallen drüben in der Fabrik schon die ersten Schokoladenweihnachtsmänner aus den Maschinen.“
„Muy interessante“, gab der Maler zu. Er mischte gerade am richtigen Blau für die Krawatte des Schokoladenfabrikanten.
„Sagen Sie mal“, wollte Herr Hugendubel jetzt wissen, „wieviel Dumme haben Sie eigentlich außer mir schon gefunden? Ich meine, die sich auch von Ihnen haben malen lassen?“
„Vor zwei Jahren mußte ich für den Apotheker Pigge seine Frau porträtieren. Mehr aus Spaß und zur silbernen Hochzeit“, gab Señor Ambrosi ehrlich zu. „Sie haben recht, es kommt leider aus der Mode, daß man sich in Öl auf die Leinwand malen läßt. Trotzdem bleibt eine Fotografie nur eine Fotografie. Nix Kunst. Nur Abklatsch.“
„Bravo“, rief Frau Hugendubel, die in diesem Augenblick vom Haus herüberkam. Sie sah richtig elegant aus, trug zwei Gläser mit Orangensaft vor sich her und hatte flinke, vergnügte Augen. „Es geht also wieder einmal um das alte Thema. Aber da kannst du sagen, was du willst. Das Bild wird gebraucht, und du kommst nicht drum herum. Im übrigen hast du’s ja bald hinter dir.“
„Jawohl, Señor, Donnerstag letztes Mal und finito“, bestätigte der Künstler.
Frau Hugendubel verteilte ihre zwei Gläser mit dem Orangensaft und betrachtete dann das Ölgemälde, das wirklich schon ziemlich weit war. „Es wird genauso, wie ich es mir vorgestellt habe“, triumphierte sie. „Du siehst blendend aus“, lächelte
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