Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
seinen Songs ging.
Er hatte geantwortet, dass er das Leben genieße, doch seine Pumpe könne jeden Moment stehen bleiben. »Und deswegen«, hatte er hinzugefügt, »schreibe ich romantische Lagerfeuer-Songs über den Tod.«
Und das stimmte. Ihre Lieder, selbst die traurigen, hatten einen fröhlichen Klang. Sie waren leicht zu singen und leicht zu merken. Man konnte zu ihnen tanzen. Und sie handelten vom Tod, jedes einzelne. Die Radiosender und Plattenläden fraßen sie förmlich. In weniger als einem Jahr hatte die Band ihren Weg bis zum Ruhm ersungen und erspielt.
Bevor sie an diesem Tag einen Song anstimmten, zog Fish einen großen fetten Joint hervor. Sie reichten ihn reihum, genau wie sie es vor Konzerten immer taten.
Dann fing Memory zu singen an. Das Lied hieß Down in the Hole .
Zachary und Fish stimmten in Memorys Gesang ein. Dan Paul hatte sie das mehrstimmige Singen üben lassen, bis es ihnen in Fleisch und Blut übergegangen war. Deshalb klang es sehr schön, selbst jetzt, obwohl ihre Stimmen vor Trauer zu brechen drohten.
There’s a hole in Russell’s Farm
Bigger than a baby or a lucky charm
Smaller than a granny in a rocking chair
Everything he loses ends up or down there
Russell lost his cow
He took more milk than the cow allowed
How much does it take to fill a bottomless bowl?
The cow jumped the moon and came down in the hole
Russell lost his barn
Crows built a nest in the fire alarm
Ashes, ashes all fall down
Ashes in the hole, but the smoke made town
Russell lost his wife
Sixteen beers and a sugarcane knife
Red is the color of his true love’s hair
Look down the hole and see her slumbering there
Russell lost his way
Between the state pen and his gettin’-out day
Between the moon and the night, the rain and the wind
Can a man down a hole find his way up again?
In einer perfekten Welt hätten sie jetzt auf Dan Paul geblickt und festgestellt, dass er friedlich entschlummert war, während sie gesungen hatten.
Stattdessen kam genau in diesem Augenblick ein Roadie namens Osgood ins Zelt gekrochen, ohne darauf zu achten, wohin er trampelte, um zu verkünden, dass ein paar von ihren Leuten sich in den Wäldern versteckt hatten, für den Fall, dass die Cops vorbeikämen.
»Auuu«, stöhnte Dan Paul. »Ozzy, Bruder, du stehst auf meinem Bein.«
Es waren seine letzten Worte.
***
Leise ging die Nachricht von einem Zelt zum anderen, in die Wälder, zum Kochfeuer, zu den VW -Bussen und wieder zurück.
Einige der zugedröhnten Roadies suchten mit schläfrigen Blicken die Milchstraße ab, auf der Suche nach Dans fröhlicher Seele auf dem Weg in die Unendlichkeit.
»Was jetzt?«, schmollte Fish. »Wir sind die Dan Paul Overfield Band ohne Dan Paul. Das ist nicht fair.«
Wütend trat er nach dem Gestrüpp draußen vor dem Zelt.
Zachary wollte erwidern, Fish solle lieber an sich selbst als an Dan Paul denken, doch der Drummer hatte nur laut ausgesprochen, was alle dachten.
Eine Zeit lang redeten die drei über Dan Paul und darüber, wie schrecklich sie ihn vermissen würden, wie sehr sie seine Songs geliebt und wie gerne sie sie gesungen hatten.
Als es ihnen in Ordnung schien, darüber zu reden, besprachen sie, was sie mit Dan Pauls Leichnam machen sollten.
»Es wäre sein Wunsch, dass wir ihn gleich hier an Ort und Stelle begraben«, sagte Zachary. »Unter dem Sternenhimmel, mit ein paar Abschiedsworten.«
»Das können wir nicht machen«, entgegnete Memory. »Es würde verdächtig erscheinen.«
Einige der Roadies hätten eigentlich in Vietnam sein sollen. Sie konnten es sich nicht leisten, Verdacht zu erregen.
Schließlich fassten sie den Entschluss, den Toten in die nächste Stadt zu fahren und herauszufinden, was das örtliche Bestattungsunternehmen dazu sagte. Sie waren nicht gerade pleite. Sie konnten sich eine billige, legale Beerdigung leisten.
Memory schlenderte hundert Meter den Highway hinunter, während Zachary den toten Dan Paul in ein Laken wickelte. Sie setzte sich auf ein Geländer über einem kleinen Bach, in dem sich funkelnd das Licht der Sterne spiegelte.
Fish hatte recht. Bubble Records nahm ihre Lieder auf und brachte sie zu den Sendern. Bubble Records hatte ihnen die drei gebrauchten VW -Busse organisiert und Geld für Benzin. Sie hatten eine Einladung zu einem Auftritt auf einem riesigen Open-Air-Festival, das auf irgendeiner Farm im Staat New York stattfinden sollte. Sie hatten ganz dicht davor gestanden, alles zu erreichen, wovon sie je geträumt
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