Der Rattenfänger
Verzweifelt um Hilfe rufend, platschten und zappelten sie im Hafenbecken. Blut färbte das Wasser rot.
Jago, dessen Ohren wie eine Bugglocke dröhnten, hätte es beinahe übersehen.
Warum er ausgerechnet in diesem Augenblick auf die Themse hinausschaute, würde ihm immer ein Rätsel bleiben. Und er war sich nicht einmal sicher, was er eigentlich gesehen hatte: eine Bewegung im Wasser, etwa hundert Meter von dem zerstörten Kriegsschiff entfernt. Wie eine kurz aufspritzende Fontäne oder eine Woge, als wäre etwas an die Wasseroberfläche geschwappt und wieder gesunken. Jetzt kräuselten sich an der Stelle nur noch kleine Wellen, die sich gleichmäßig ringförmig ausbreiteten.
Da kam ein Marinesoldat angerannt, die Flinte im Anschlag. Es war der Corporal, der ihm den Zutritt zur Werft verwehrt hatte.
»He du, Bursche! Komm mit!«, rief Jago ihm zu.
Dieses Mal gehorchte der Corporal. Wortlos folgte er Jago zu der Treppe an der Kaimauer. Jago stieg in das kleine Boot und griff nach einem Ruder.
»Na los Junge. Spring rein!«, rief er. Der Corporal schulterte seine Flinte, stieg die Treppe hinunter und kletterte vorsichtig in das schwankende Boot.
Jago löste die Fangleine, stieß das Boot vom Kai ab und drückte dem Corporal das zweite Ruder in die Hand. »Und jetzt ruderst du, mein Junge. Und zwar mit voller Kraft voraus!«
Wegen der Schieflage des Unterseeboots drang kaum noch Licht durch die Bullaugen. Auf dem Grund der Themse angekommen, schrammte es über Sand und Steine wie eine Zweiundvierzig-Pfund-Kanone über ein sturmgepeitschtes Deck. Nach einer – wie es Hawkwood schien – Ewigkeit bewegte sich das Boot nicht mehr, und es herrschte – bis auf das Sprudeln des eindringenden Wassers – unheimliche Stille.
Hawkwood ließ die Eisenrippe los und tastete nach seinem Messer. Er stand bereits knietief im kalten Wasser. Sparrows Leiche hatte sich mit dem Gesicht nach unten am Pumpenschwengel verkantet. Als Hawkwood das Messer an der Klinge zu fassen bekam, stürzte sich der Amerikaner auf ihn.
Lee hatte seine Pistole im ausbrechenden Chaos verloren, aber er hatte eine andere Waffe in der Hand. Hawkwood hob instinktiv den Arm, um den Schlag mit dem Eisenhammer abzuwehren.
Der Hammer zischte knapp an seinem Ohr vorbei, dann packte er Lees Handgelenk und schleuderte den Amerikaner gegen das Schott und boxte ihn in den Magen. Lee holte jedoch noch einmal aus und traf dieses Mal Hawkwoods Rippen. Er wurde gegen die Kurbel der Schiffsschraube geworfen. Lee watete mit hoch erhobenem Hammer hasserfüllt auf ihn zu.
In dem Moment kippte das Boot ruckartig zur Seite. Sparrows Leiche löste sich von der Kurbel und sank. In der Dunkelheit sah Lee das Hindernis nicht, das jetzt zwischen ihm und Hawkwood lag, und trat auf Sparrows Oberschenkel. Er verlor das Gleichgewicht, und der Hammer fiel ihm aus der Hand.
Da warf sich Hawkwood auf den Amerikaner, beide Männer stürzten, und Hawkwood konnte gerade noch einmal Luft holen, ehe sich das Wasser auch über ihm zusammenschlug.
In der wirbelnden Finsternis wehrte sich Lee mit aller Kraft, und es gelang ihm, Hawkwoods Hals mit tödlichem Griff zu umklammern. Ein rötlicher Schleier legte sich vor Hawkwoods Augen, das Blut pochte ihm in den Ohren, und seine Lungen drohten zu platzen. In dem verzweifelten Versuch, die Hände des Amerikaners von seinem Hals zu reißen, packte er dessen Handgelenke, aber seine Kräfte schwanden schnell. Er griff mit der rechten Hand nach unten, bekam die Hoden des Amerikaners zu fassen und drückte mit aller Kraft zu. Lee ließ sofort Hawkwoods Hals los, sodass er auftauchen konnte. Keuchend schnappte er nach Luft. Er merkte zwar, dass Lee neben ihm auftauchte, konnte aber dem Stoß nicht mehr ausweichen. Lee stieß ihm das Messer in die linke Schulter.
Seltsamerweise spürte Hawkwood den Schmerz erst, als Lee das Messer herauszog und wieder zustoßen wollte. Noch im Fallen hob Hawkwood abwehrend den unverletzten Arm und tastete unter Wasser verzweifelt nach irgendeiner Waffe. Da berührten seine Finger ein längliches Stück Metall. Lee packte ihn am Arm und zerrte ihn hoch. Wieder schwebte das Messer über ihm. Mit letzter Kraft kämpfte sich Hawkwood an die Wasseroberfläche und stieß zu.
Die Spitze des Bohrers drang in Lees rechtes Auge. Er schrie markerschütternd.
Hawkwood rammte den Bohrer noch tiefer in den Schädel des Amerikaners, der Schrei ging in ein leises Wimmern über. Das Messer fiel aus Lees Hand, die zu einer
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