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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Marinesoldat ruderte sie ans Ufer. Jago saß im Heck und hielt den Captain in den Armen. Er presste sein Halstuch auf Hawkwoods Schulterwunde. »Ist schon gut, Cap’n. Keine Angst. Jago ist ja bei Ihnen.«
    Hawkwoods Brustkorb hob und senkte sich, als er mühsam atmete. Er blickte zu Jago hoch und flüsterte etwas.
    Jago beugte sich über ihn. »Tut mir Leid, Cap’n. Das habe ich nicht verstanden.«
    Hawkwood holte mit schmerzverzerrtem Gesicht tief Luft, hustete qualvoll und krächzte: »Nathaniel?«
    »Ja, da bin ich.«
    »Du hattest Recht.«
    »Ach?«, sagte Jago. »Womit denn?«
    Hawkwood verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Es war kein guter Plan.«
    Und da fing Jago an zu lachen.

21
    Der Arzt verstaute die Instrumente wieder in seiner Arzttasche, lächelte und beruhigte den Obersten Richter.
    »Die Bauchwunde ist nur oberflächlich, und die Stichwunde habe ich bestmöglich gesäubert. Mehr kann ich für den Patienten im Augenblick nicht tun. Doch er ist kräftig und wird sich schnell erholen.«
    Erleichtert nickte James Read und sagte: »Danke, Doktor.«
    Als der Arzt durch die Tür ging, räusperte sich Kommissar Dryden diskret. »Würden Sie mich bitte entschuldigen, Gentlemen. Ich muss mich jetzt um meine Werft kümmern. Wahrscheinlich haben Sie auch noch etwas unter vier Augen zu besprechen …« Dann lächelte er beinahe schüchtern und sagte zu Hawkwood: »Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Sir.« Jago nickte er nur kurz zu. Dann folgte er dem Arzt nach draußen.
    Jago und der Corporal hatten Hawkwood in Kommissar Drydens Haus getragen. Der Kommissar hatte seinen Arzt gebeten, Hawkwood zu untersuchen und zu verbinden.
    »Er ist ein ausgezeichneter Mediziner«, hatte Dryden dem Richter versichert, »und hat unter Collingwood auf der Dreadnought gedient.«
    Als auch Dryden weg war, betrachtete James Read seinen Runner. Er lächelte – was er nur selten tat – und sagte: »Wie schön, Sie wieder in unserer Mitte zu sehen.«
    Hawkwood sah sich in dem lichtdurchfluteten Zimmer um. Das Dienstmädchen hatte die Vorhänge zuziehen wollen, aber er hatte gebeten, es nicht zu tun. Er sehnte sich nach Sonne und Wärme, seit er mit knapper Not dem kalten nassen Grab entkommen war. Die letzten Minuten in der Narwal waren die schrecklichsten in seinem Leben gewesen. Den Kopf in dem überfluteten Turm schon unter Wasser, hatte er fast aufgegeben, bis ihm plötzlich Lees Worte eingefallen waren: Dann halten wir die Luft an und beten.
    Also hatte Hawkwood in dem stockfinsteren Turm die Luft angehalten und gebetet, dass er die Luke öffnen könne, bevor er ertrinken würde. Er hatte verzweifelt mit einer Hand nach dem Riegel getastet, während ihn die eisige Kälte fast lähmte. Im letzten Augenblick hatte der Riegel nachgegeben und er sich durch die Luke zwängen können, Luft und Licht entgegen.
    Als Hawkwood nicht auf James Reads freundliche Worte reagierte, machte sich der Richter Sorgen und fragte: »Haben Sie Schmerzen?«
    »Ich war mit meinen Gedanken bei Lee«, sagte Hawkwood. »Ich konnte ihn nicht daran hindern, die Thetis zu zerstören.«
    James Read schwieg und schaute zu Jago, der den Blick erwiderte.
    »Was ist denn?«, fragte Hawkwood irritiert.
    »Hat er nicht«, sagte Jago.
    »Was hat er nicht?«
    »Er hat die Thetis nicht in die Luft gesprengt«, sagte James Read.
    »Natürlich hat er es getan«, widersprach Hawkwood. »Ich habe doch die Detonation gehört. Und ich habe das Wrack gesehen, als Jago mich ans Ufer brachte.«
    Der Oberste Richter schüttelte den Kopf. »Nein. Lee hat ein Schiff in Trümmer gelegt, aber nicht das Schiff.«
    Hawkwood zweifelte an seinem Verstand. Doch Jago grinste breit. Er starrte die beiden Männer entgeistert an.
    »Sie haben die Schiffe ausgetauscht, Cap’n«, sagte Jago.
    »Diese durchtriebenen Mistkerle haben die Schiffe ausgetauscht.«
    Hawkwood schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, war Jago noch immer da. Er grinste noch immer.
    Jago sah den Obersten Richter an. »Also? Erzählen Sie’s ihm, oder soll ich das tun?«
    »Dieses Vergnügen will ich Ihnen nicht nehmen, Sergeant.«
    James Read lächelte.
    »Na, dann rede endlich!«, drängte Hawkwood.
    »Also gut«, willigte Jago ein. »Es war nicht die Thetis, die Lee in die Luft gejagt hat, sondern ein abgetakeltes Schiff.«
    »Ein was?«
    »Ein altes, ausgemustertes Schiff mit einem Mastkran. Es wird auch Arbeitspferd genannt. Keiner kennt mehr seinen Namen, weil es

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