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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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einschließlich des Kommandanten, Gouverneur Don Pasquil. Nur der General, der für die Verteidigung der Zitadelle zuständig war, lehnte Auchmutys Angebot auf freien Abzug ab und ergab sich nicht. Also ließ Sam die Scharfschützen antreten.«
    »Die Scharfschützen?«, wiederholte Leutnant Fitzhugh mit großen Augen.
    »Zu unserer Einheit gehörte ein Trupp des 95. Rifles Regiments. Zwei Schützen erhielten den Befehl, den General von einem Turm aus ins Visier zu nehmen und zu erschießen. Ich wurde diesem Sonderkommando zugeteilt und habe die beiden Scharfschützen begleitet. Einer von ihnen, der Leutnant, war unser Freund, dessen Namen ich jedoch nicht kannte. Ich fand es allerdings seltsam, dass ein Offizier mit dieser Aufgabe betraut wurde.«
    »Wie können Sie sicher sein, dass es sich um denselben Mann handelt?«, fragte Fitzhugh stirnrunzelnd.
    »Weil ich damals etwas erlebt habe, was ich nie vergessen werde. Wir – die beiden Schützen, zwei Soldaten und ich – standen also auf diesem Turm und warteten darauf, dass sich der General zeigte. Und dann erschien er tatsächlich und spazierte stolz wie ein Gockel in seiner prächtigen Uniform über den Schutzwall.«
    Der Major griff in seinen Rock und holte eine kurzstielige Tonpfeife und einen Tabakbeutel heraus. Mit einer für Fitzhugh beinahe unerträglichen Langsamkeit stopfte er seine Pfeife und steckte den Beutel in seinen Rock zurück. Frustriert musste Fitzhugh mit ansehen, wie der Major eine Kerze nahm, die Flamme an den Pfeifenkopf hielt und paffte, bis der Tabak ordentlich glühte. Dann drückte er die Flamme zwischen Daumen und Zeigefinger aus und steckte die Kerze in den Behälter neben seinem Ellbogen zurück. Fitzhugh glaubte zunächst, der Major spanne ihn absichtlich auf die Folter, merkte dann jedoch, dass Lawrence dieses Ritual brauchte, um seine Gedanken zu sammeln.
    Der Major zog ein paar Mal geräuschvoll an seiner Pfeife, ehe er mit seiner Geschichte fortfuhr: »So etwas hatte ich noch nie erlebt, Fitz. Unser Freund steht da und schaut über die Dächer zu dem General hin. Er sagt kein Wort, starrt nur diesen Gockel an. Dann lädt er seelenruhig sein Gewehr, legt den Lauf auf die Brust, zielt und drückt ab.
    Er hat den General mit einem einzigen Schuss erledigt, Fitz. Ich habe durch mein Fernglas gesehen, wie er dem Scheißkerl die Kugel in den Kopf gejagt hat.«
    »Aus welcher Entfernung?«
    »Es waren etwa zweihundert Meter.«
    »Du lieber Himmel!«, rief Fitzhugh und klappte den Mund auf.
    »Es war der verdammt beste Schuss, den ich je gesehen habe.«
    »Ich kann’s nicht glauben«, staunte Fitzhugh noch immer.
    »Das hat die Spanier natürlich völlig demoralisiert. Gleich darauf haben sie sich ergeben.«
    »Und was wurde aus dem Schützen?«
    »Er ist zu seiner Einheit zurückgekehrt. Ich habe ihn nie wieder gesehen. An diesen Schuss kann ich mich jedoch gut erinnern. Einfach hervorragend.«
    Lawrence schwieg wieder und hing seinen Gedanken nach. Er zog an seiner Pfeife, hob seinen Becher und leerte ihn.
    »Noch einen Drink?«, fragte Fitzhugh.
    Lawrence starrte in den Becher, so als würde ihm erst jetzt auffallen, dass er leer war, und erwiderte: »Warum nicht?«
    Fitzhugh hob die Hand und winkte eine der Serviererinnen herbei. Nur zu bereitwillig folgte sie der Aufforderung eines so gut aussehenden jungen Mannes in Uniform und trat lächelnd an den Tisch der beiden. Als sie sich vorbeugte und nach den Bechern griff, wölbte sich ihr üppiger Busen über dem tief ausgeschnittenen Mieder. Fitzhugh bestellte die Getränke und spürte dabei den Druck ihrer linken Brust an seinem Arm. Das erinnerte den Leutnant daran, dass er und der Major für den Abend einen Besuch in einem kleinen und sehr diskreten Etablissement am Covent Garden geplant hatten, wo schöne, handverlesene, charmante und junge Damen zu Amüsements einluden, die eine Offiziersmesse nicht zu bieten hatte.
    Fitzhugh fiel auf, dass die Serviererin auf dem Weg zum Schanktisch von lüsternen Männern betatscht und mit obszönen Bemerkungen belästigt wurde. Dann kam ihm plötzlich ein Gedanke, und er sagte zu Lawrence. »Warum, glauben Sie, hat Hawkwood geleugnet. Sie zu kennen?«
    Lawrence zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Aber er hat wohl weniger Grund, sich an mich zu erinnern als ich mich an ihn.«
    Was nicht ganz der Wahrheit entsprach, denn Fitzhugh wusste, dass der Major einen erheblichen Beitrag zur Eroberung Montevideos geleistet hatte. Davon zeugte

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