Der Regenmacher
vorstellen, an dem ich auf die vergangenen drei Jahre zurückblicke und erkläre, daß sie trotz allem schön waren. Vielleicht bin ich eines Tages imstande, ein paar nette kleine Erinnerungen auszugraben an Zeiten, die ich mit Freunden verbracht habe, in denen ich mit Booker unterwegs war oder im Yogi’s an der Bar bedient habe, oder an andere Dinge und Ereignisse, die mir im Moment nicht einfallen. Und ich bin sicher, daß Booker und ich lachen werden über diese netten Alten hier in Cypress Gardens und das Vertrauen, das sie in uns gesetzt haben.
Eines Tages mag es spaßig sein.
Ich schlage vor, daß wir bei Yogi’s ein Bier trinken. Auf meine Kosten. Es ist zwei Uhr, und es regnet, genau das richtige, um sich an einen Tisch zu setzen und einen Nachmittag zu vertrödeln.
Booker würde wirklich gern mitkommen, aber er muß in einer Stunde im Büro sein. Marvin Shankle hat ihm einen Fall zur Bearbeitung übergeben, der am Montagmorgen vor Gericht verhandelt werden soll. Er wird das ganze Wochenende in der Bibliothek verbringen müssen.
Shankle arbeitet sieben Tage die Woche. Seine Kanzlei hat bei einem großen Teil der Bürgerrechtsprozesse in Memphis Pionierarbeit geleistet, und jetzt zahlt sich das aus. Er beschäftigt zweiundzwanzig Anwälte, ausschließlich Schwarze, die Hälfte davon weiblich, die alle versuchen, das brutale Arbeitspensum zu bewältigen, das Marvin Shankle verlangt. Die Sekretärinnen arbeiten in Schichten, so daß vierundzwanzig Stunden am Tag immer mindestens drei verfügbar sind. Shankle ist Bookers Idol, und ich weiß: Binnen weniger Wochen wird auch er sonntags arbeiten.
Ich komme mir vor wie ein Bankräuber, der in den Vororten herumfährt, die Filialen ausspioniert und sich überlegt, welche am leichtesten zu überfallen ist. Die Kanzlei, nach der ich suche, finde ich in einem modernen, vierstöckigen Gebäude aus Glas und Stein. Sie liegt in Ost-Memphis, an einer vielbefahrenen Straße, die nach Westen in Richtung Innenstadt und zum Fluß verläuft. Hier haben sich die Weißen niedergelassen, die aus anderen Stadtteilen vor den Schwarzen geflüchtet sind.
In der Kanzlei arbeiten vier Anwälte, alle Mitte Dreißig, alle Absolventen der Memphis State. Ich habe gehört, daß sie Studienfreunde waren und für große Firmen in der Stadt arbeiteten, bis sie den ständigen Druck satt hatten und dann hier wieder zusammenkamen, um eine geruhsamere Kanzlei zu eröffnen. Ich habe ihre Anzeige in den Gelben Seiten gesehen, ganzseitig; Gerüchten zufolge kostet so eine Anzeige viertausend im Monat. Sie machen alles, von Scheidungen über Kaufverträge bis hin zu Grundbuchsachen, aber natürlich verkündete der fetteste Druck in ihrer Anzeige ihre Erfahrung auf dem Gebiet von PERSONENSCHÄDEN.
Einerlei, was ein Anwalt wirklich tut – in den allermeisten Fällen wird er behaupten, daß er sich auf dem Gebiet der Personenschäden allerbestens auskennt. Denn für die überwiegende Mehrheit der Anwälte, die keine Mandanten haben, denen sie ihre Arbeit stundenweise berechnen können, besteht die einzige Hoffnung auf großes Geld darin, Leute zu vertreten, die verletzt wurden oder ums Leben gekommen sind. In den meisten Fällen ist es leicht verdientes Geld. Nehmen wir einen Mann, der bei einem Autounfall verletzt wurde; Schuld hat der andere Fahrer, der versichert ist. Der Verletzte liegt eine Woche im Krankenhaus, mit gebrochenem Bein, bekommt keinen Lohn. Wenn der Anwalt es schafft, vor dem Schadensregulierer der Versicherung bei ihm zu sein, kommt es vielleicht zu einem Vergleich über fünfzigtausend Dollar. Der Anwalt verbringt ein bißchen Zeit mit Papierkram, muß aber wahrscheinlich nicht einmal Klage einreichen. Er investiert maximal dreißig Stunden Arbeit und kassiert ein Honorar um die fünfzehntausend. Das sind fünfhundert Dollar pro Stunde.
Großartige Arbeit, wenn man sie bekommen kann. Deshalb schreit fast jeder Anwalt auf den Gelben Seiten nach Unfallopfern. Erfahrung vor Gericht ist nicht erforderlich, neunundneunzig Prozent der Fälle enden mit einem Vergleich. Die einzige Kunst besteht darin, die Leute dazu zu bringen, daß sie einem den Fall übertragen.
Mir ist egal, wie sie inserieren. Mir geht es nur darum, ob ich ihnen eine Stelle abschwatzen kann oder nicht. Ein paar Minuten bleibe ich in meinem Wagen sitzen, während der Regen auf die Windschutzscheibe prasselt. Ich würde mich lieber auspeitschen lassen, als in das Büro zu gehen, die Frau am Empfang anzulächeln,
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