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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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auf die Idee gekommen, den Tanten Namen zu geben, die von Markenprodukten abgeleitet waren, die man in der Gilead unmittelbar vorausgehenden Periode hatte erwerben können und die den Frauen deshalb vertraut und beruhigend klangen – Namen von Kosmetikserien, Kuchenfertigmischungen, Tiefkühldesserts und sogar Arzneimitteln? Es war ein brillanter Streich, und er bekräftigt uns in unserer Meinung, daß Waterford in seiner besten Zeit ein Mann von beachtlicher Genialität war. Ebenso wie, auf seine Weise, auch Judd.
    Von beiden Herren war bekannt, daß sie kinderlos waren und daher Anspruch auf eine Abfolge von Mägden hatten. Professor Wade und ich haben in unserer gemeinsamen Arbeit »Der Begriff des ›Samens‹ im frühen Gilead« die Vermutung angestellt, daß beide – wie viele der Kommandanten – mit einem Sterilität verursachenden Virus in Kontakt gekommen waren, der bei geheimen vorgileadischen Genspleiß-Experimenten mit Mumps entwickelt worden war und der dem, von den höchsten Moskauer Funktionären bevorzugten Kaviar, zugesetzt werden sollte. (Das Experiment wurde nach dem Einflußsphären-Abkommen aufgegeben, da der Virus von vielen als zu wenig kontrollierbar und deshalb als zu gefährlich erachtet wurde, wenn auch einige ihn gerne über Indien ausgestreut hätten.)
    Allerdings sind weder Judd noch Waterford je mit einer Frau verheiratet gewesen, die als »Pam« oder als »Serena Joy« bekannt war oder bekannt gewesen war. Der letztere Name scheint eine etwas boshafte Erfindung unserer Autorin zu sein. Judds Frau hieß mit Vornamen Bambi Mae, und Waterfords Frau hieß Thelma. Letztere war allerdings einst als Fernsehmoderatorin der beschriebenen Art tätig gewesen. Wir wissen dies von Limpkin, der verschiedene höhnische Bemerkungen darüber macht. Das Regime selbst bemühte sich, solche früheren Abweichungen von der Orthodoxie seitens der Gattinnen seiner Elite zu vertuschen.
    Insgesamt spricht das Beweismaterial mehr für Waterford. Wir wissen zum Beispiel, daß er, wahrscheinlich bald nach den Ereignissen, die unsere Autorin beschreibt, bei einer der frühesten Säuberungen sein Ende fand: Er war liberaler Tendenzen angeklagt, sowie des Besitzes einer ansehnlichen und unrechtmäßigen Sammlung ketzerischen Bilder- und Literaturmaterials, sowie der Beherbergung einer subversiven Person. Das geschah in der Zeit, bevor das Regime seine Prozesse geheim abzuhalten begann, als es sie noch im Fernsehen übertragen ließ, so daß diese Ereignisse via Satellit in England aufgezeichnet werden konnten und sich daher heute auf Videoband in unseren Archiven befinden. Die Aufnahmen von Waterford sind nicht gut, aber sie sind deutlich genug, um zu erhärten, daß sein Haar in der Tat grau war.
    Was   die   subversive   Person   angeht,   deren   Beherbergung Waterford angeklagt war, so hätte dies Desfred sein können, da ihre Flucht sie in diese Kategorie eingereiht hätte. Wahrscheinlicher aber ist, daß es »Nick« war, der – die bloße Existenz der Bänder beweist es – »Desfred« zur Flucht verholfen haben muß. Die Art und Weise, wie ihm das gelang, weist ihn als Mitglied des schattenhaften Mayday-Untergrunds aus, der nicht identisch war mit der Untergrund-Frauenstraße, aber in Verbindung mit ihr stand. Letztere war lediglich eine Rettungsorganisation, ersterer eine paramilitärische Gruppe. Eine Reihe von Mayday-Agenten haben, wie man weiß, die Machtstruktur Gileads auf höchster Ebene unterwandert, und die Unterbringung eines ihrer Mitglieder als Waterfords Chauffeur war zweifellos ein Coup gewesen – ein Doppelcoup, da »Nick« gleichzeitig Mitglied der Augen gewesen sein muß, so wie Chauffeure und persönliche Bedienstete dies oft waren. Waterford müßte sich hierüber natürlich im klaren gewesen sein, aber da alle hochgestellten Kommandanten automatisch Direktoren der Augen waren, könnte es sein, daß er dieser Tatsache nicht viel Aufmerksamkeit schenkte und sich bei seinen Verstößen gegen die seiner Meinung nach unbedeutenderen Regeln dadurch nicht stören ließ. Wie die meisten frühen Kommandanten Gileads, die später Säuberungen zum Opfer fielen, betrachtete er seine Position als über jeden Verdacht erhaben. In der mittleren Periode Gileads war man da vorsichtiger.
    Soweit unsere Vermutungen. Angenommen, sie wären richtig – angenommen also, daß Waterford tatsächlich der »Kommandant« war – bleiben immer noch viele Lücken. Einige hätten von unserer anonymen

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