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Der Richter und sein Henker (German Edition)

Der Richter und sein Henker (German Edition)

Titel: Der Richter und sein Henker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Eine Frage, die mich bedrückt, auf die ich noch keine Antwort weiß. Vielleicht am besten, indem er Kriminalromane schreibt, Kunst da tut, wo sie niemand vermutet. Die Literatur muß so leicht werden, daß sie auf der Waage der heutigen Literaturkritik nichts mehr wiegt. Nur so wird sie wieder gewichtig.«
Friedrich Dürrenmatt
Theaterprobleme (1954)

Rezensionen zur Erstausgabe

    Die letzten schweizerischen Kriminalromane, die ein Anrecht darauf hatten, die Gattung des Kriminalromans innerhalb der eigentlichen Literatur zu repräsentieren, stammten aus der Feder des zu früh gestorbenen Friedrich Glauser. Die Leistung Glausers lag einmal in der überlegenen ironischen Führung seiner Handlungen, die ein Buch wie Der Tee der drei alten Damen in einzelnen Bildern und Sätzen so gut wie zu einem Kunstwerk werden ließ; zum andern in der Erschaffung des Wachtmeister Studer. In ihm hatte Glauser eine Figur zum Leben erweckt, die nicht bloß in ihrem Äußern typisch schweizerisch war, sondern auch noch das für Pädagogen so wichtige Kunststück vollbrachte, eigentlich mißachtete schweizerische Eigenschaften wie Kargheit, Zurückhaltung, Trockenheit zu aktivieren und im Handeln als beispielhaft darzulegen. Darum mußte der Wachtmeister Studer in Zeiten der geistigen Landesverteidigung der Verfilmung geradezu rufen, wobei es nicht Glausers Schuld war, daß die Wachtmeister-Studer-Filme nicht immer an die Wachtmeister-Studer-Bücher herankamen. (Die Frage, ob die Figur des Wachtmeister Studer nicht ihrerseits Filmvorfahren besitzen könnte – zum Beispiel den deutschen Kriminalkommissär aus Fritz Langs Dr. Mabuse –, muß hier unbeantwortet bleiben.)
    Der Kriminalkommissär Bärlach nun aus Friedrich Dürrenmatts Kriminalroman Der Richter und sein Henker steht für den Leser mehr oder weniger unmittelbar in der Tradition des Wachtmeister Studer. Beginnt man Glauser und Dürrenmatt zu vergleichen, so liegt das Spannende darin, daß Glauser, vom Kriminalroman herkommend, sich anschickte, stellenweise in eine höhere, nicht ausschließlich mehr der Unterhaltung dienende Literatur hinüberzudringen, während Dürrenmatt sich erst als Verfasser von Dramen und epischen Versuchen auswies, bevor er jetzt, wohl aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, sich der »niedereren« Gattung des Kriminalromanes zuwendet.
    Welches sind die Ergebnisse (nur die gröbsten), wenn wir Dürrenmatt mit Glauser vergleichen?
    Was die Hauptfigur Dürrenmatts, den Kommissär Bärlach, betrifft, so können wir Glauser gegenüber einen Gewinn buchen. Der Kriminalromane schreibende Dichter hat hier vielleicht zwar nicht schärfer gesehen, aber doch reicher empfunden als der (bisweilen auch dichtende) Verfasser von Kriminalromanen. Die Vision »Kommissär Bärlach« ist größer als die Figur des »Wachtmeister Studer«. Daß Bärlach seinen Feind nicht allein durch schweizerische Schlauheit, schweizerische Unbestechlichkeit und schweizerische gute Nerven bekriegen will und besiegen kann, sondern daß das Böse bei Dürrenmatt durch das Böse, der Verbrecher durch den Verbrecher gerichtet werden muß, sich also das Böse als das schlechthin »Nichtige« endlich einmal in den Schwanz zu beißen genötigt ist, stellt die Gestalt dieses Kommissärs Bärlach in Zusammenhänge, die dem Kriminalroman selber nicht schaden, ihn aber vor neue und größere Hintergründe rücken. Es kommt als eigentliche literarische Leistung dazu, daß die scheinbare Paradoxie, die Bärlachs Verhalten auszeichnet, seine Gestalt gleichsam kontrapunktisch bereichert. Der Leser empfindet Bärlachs Verhalten und seine Antworten oft zugleich als durchaus unerwartet und durchaus wahrscheinlich, was nicht nur Merkmal des guten Kriminalromans ist, sondern auch Zeichen großer Epik sein kann.
    Welches ist das Ergebnis des Vergleiches, wenn wir von dieser dichterischen Vertiefung der Hauptgestalt und von der ganzen ideellen Anlage der Geschichte absehen und nach der technischen Ausarbeitung und der Geschlossenheit des Kriminalromans fragen?
    Hier buchen wir Verluste zu Ungunsten Dürrenmatts, die zwar nicht in jedem Fall Verluste sein müssen, es in einigen Fällen aber sicher sind.
    So plastisch zum Beispiel Bärlach gestaltet ist (plastisch durch das, was er sagt vor allem – und das ist schriftstellerisch eine der größten Leistungen des Buches), so durchscheinend, körperlos, ja fast unglaubwürdig ist daneben sein Gegenspieler Gastmann. Die beiden Gegner halten sich nicht die Waage.

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