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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wollte, bei mir wär’s genauso gewesen.«
    »Lebt sie noch in deiner Nähe?«
    »Letzte Woche habe ich sie auf dem Flugplatz gesehen, als sie gerade aus ihrem Privatjet stieg.«
    »Und sie hat tatsächlich dieses alte Arschloch geheiratet, diesen Gangster von der Wall Street?«
    »Ja. Lass uns von etwas anderem reden.«
    »Du hast mit dem Thema Frauen angefangen.«
    »Was immer ein großer Fehler ist.«
    Forrest stürzte einen weiteren Drink hinunter. »Dann lass uns über Geld reden. Wo ist die Kohle?«
    Ray zuckte ein bisschen zusammen, und sein Herzschlag setzte einen Moment lang aus, doch da Forrest den Blick auf den Rasen vor dem Haus gerichtet hielt, war ihm nichts aufgefallen. Von welchem Geld redest du, lieber Bruder? » Er hat es gespendet.«
    » Aber warum?«
    »Es war sein Geld, nicht unseres.«
    »Und warum hat er uns nicht ein bisschen was hinterlassen? «
    Vor nicht allzu vielen Jahren hatte der Richter Ray anvertraut, dass er im Laufe von fünfzehn Jahren für Prozesskosten, Geldstrafen, Entziehungskuren und Therapien mehr als neunzigtausend Dollar für Forrest hingeblättert hatte. Entweder hinterließ er Forrest das Geld, damit dieser es sich in Form von Alkohol durch die Kehle rinnen ließ und in Form von Kokain durch die Nase jagte. Oder er schenkte es zu Lebzeiten wohltätigen Organisationen und bedürftigen Familien. Ray hatte einen Beruf und konnte für sich selbst sorgen.
    »Er hat uns das Haus hinterlassen«, sagte Ray.
    »Und was wird damit geschehen?«
    »Wenn du willst, verkaufen wir es. Der Erlös fließt mit allem anderen in einen Topf. Fünfzig Prozent gehen für die Erbschaftssteuer drauf, und bis zur gerichtlichen Testamentsbestätigung wird es etwa ein Jahr dauern.«
    »Sag mir einfach, was unter dem Strich herauskommen wird. «
    »Wenn wir Glück haben, können wir uns in einem Jahr fünfzigtausend Dollar teilen.«
    Natürlich gab es noch anderes Vermögen. Die Beute schlummerte friedlich in der Besenkammer, aber Ray brauchte Zeit zum Nachdenken. War es schmutziges Geld? Sollte es in das Erbe einbezogen werden? In diesem Fall würde es fürchterliche Probleme geben. Zuerst musste alles erklärt werden, dann würde mindestens die Hälfte für Steuern draufgehen, und am Ende hätte Forrest die Taschen voller Bargeld, das er in Drogen investierte, die ihn schließlich vermutlich das Leben kosten würden.
    »Dann kriege ich also in einem Jahr fünfundzwanzigtausend Dollar? «, fragte Forrest.
    Ray konnte nicht sagen, ob er besorgt oder angewidert war. »So in der Größenordnung.«
    »Willst du das Haus übernehmen?«
    »Nein, du?«
    »Zum Teufel, nein. Ich setze da keinen Fuß mehr rein.«
    »Ach komm, Forrest.«
    »Als er mich rausgeschmissen hat, warf er mir vor, ich hätte lange genug Schande über die Familie gebracht. Er selbst hat gesagt, ich soll nie wieder einen Fuß auf sein Grundstück setzen. «
    »Aber er hat sich dafür entschuldigt.«
    Forrest nahm schnell einen weiteren Schluck. »Ja, hat er. Aber dieser Ort deprimiert mich. Du bist der Nachlassverwalter und wirst dich um alles kümmern. Schick mir einfach einen Scheck, wenn das Ganze gelaufen ist.«
    »Wir sollten wenigstens seine Sachen zusammen durchsehen.«
    »Ich rühre nichts an«, sagte Forrest, während er aufstand. Ach will ein Bier. Mein letztes hatte ich vor fünf Monaten, ich will jetzt ein Bier.« Er ging bereits auf seinen Wagen zu. »Du auch?«

    »Nein.«
    » Begleitest du mich wenigstens? «
    Einerseits wollte Ray mitfahren, weil er dann auf seinen Bruder aufpas-sen konnte, aber stärker als dieser Wunsch war sein Bedürfnis, zu bleiben und das Vermögen der Atlees zu schützen. Der Richter hatte das Haus nie abgeschlossen. Wo waren die Schlüssel? »Ich werde hier warten.«
    »Wie du willst.«

    Der nächste Besucher kam nicht überraschend. Als Ray auf der Suche nach den Schlüsseln gerade die Schubladen in der Küche durchwühlte, vernahm er von der Eingangstür her eine laute Stimme, die er jahrelang nicht mehr gehört hatte. Dennoch bestand kein Zweifel daran, dass sie Harry Rex Vonner gehörte.
    Harry Rex umarmte ihn wie ein Bär, Ray drückte ihn nur leicht und wich dabei etwas zurück. »Es tut mir ja so Leid«, wiederholte Harry Rex mehrere Male. Er war ein schnurrbärtiger Bär von einem Mann, groß gewachsen und mit einem mächtigen Brustumfang. Er hatte den Richter verehrt und hätte auch für dessen Söhne alles getan. Obgleich ein brillanter Anwalt, war er im kleinen Clanton hängen

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