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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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geblieben. An ihn hatte sich der Richter immer wegen Forrests Problemen mit dem Gesetz gewandt.
    »Wann bist du angekommen?«, fragte Harry Rex.
    »Ungefähr um fünf. Ich habe ihn in seinem Arbeitszimmer gefunden.«
    »In den letzten zwei Wochen hatte ich viel im Gericht zu tun, deshalb habe ich eine Weile nicht mehr mit ihm gesprochen. Wo ist Forrest?«
    » Bier kaufen. «
    Während sie sich auf die Schaukelstühle neben der Hollywoodschaukel setzten, ließen sie diese schwer wiegende Tatsache auf sich einwirken.
    »Schön, dass wir uns wieder mal sehen, Ray.«
    »Finde ich auch.«
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass er tot ist.«
    »Ich auch nicht. Irgendwie dachte ich, dass er immer da sein würde. «
    Harry Rex wischte sich mit dem Ärmel Tränen aus den Augen. »Es tut mir so Leid«, murmelte er. »Ich kann’s einfach nicht glauben. Vor gut zwei Wochen habe ich ihn noch gesehen. Er lief herum und war richtig auf Zack.
    Zwar hatte er Schmerzen, aber er hat sich nicht beklagt.«
    »Die Ärzte hatten ihm noch ein Jahr gegeben, und das war vor etwa zwölf Monaten. Trotzdem habe ich geglaubt, dass er länger durchhalten würde.«
    »Ich auch. Er war ein harter alter Brocken.«

    »Möchtest du Eistee?«
    »Das wäre fein.«
    Ray ging in die Küche und schenkte zwei Gläser mit Instanttee voll.
    Dann kehrte er damit auf die Veranda zurück. »Besonders gut ist dieses Zeug nicht.«
    Harry Rex trank einen Schluck und pflichtete Ray bei. »Wenigstens ist er kalt.«
    »Wir müssen eine Totenwache organisieren, Harry Rex, aber nicht hier.
    Hast du irgendwelche Ideen?«
    Nachdem Harry Rex einen Augenblick lang nachgedacht hatte, beugte er sich mit einem breiten Grinsen vor. »Wir bringen ihn ins Gerichtsgebäude, in die Rotunde im Erdgeschoss. Dort lassen wir ihn stilvoll wie einen Kö-
    nig aufbahren.«
    » Ist das dein Ernst?«
    »Warum nicht? Ihm hätte das gefallen. Die ganze Stadt kann an ihm vor-beidefilieren und ihm die letzte Ehre erweisen.«
    »Die Idee gefällt mir.«
    »Sie ist brillant, glaub mir. Ich werde mit dem Sheriff reden und ihn dazu bringen, seinen Segen zu geben. Alle werden sich freuen. Wann findet die Beerdigung statt?«
    »Am Dienstag.«
    »Dann werden wir die Totenwache für morgen Nachmittag ansetzen.
    Möchtest du, dass ich eine kleine Ansprache halte?«
    »Natürlich. Warum organisierst du nicht alles?«
    »Okay. Habt ihr schon einen Sarg ausgesucht?«
    »Wollten wir morgen früh erledigen.«
    »Nimm einen Eichensarg, vergiss diesen ganzen Mist mit Bronze und Kupfer. Letztes Jahr haben wir unsere Mutter in einem Eichensarg begraben, etwas Schöneres habe ich noch nie gesehen. Innerhalb von zwei Stunden kann Magargel aus Tupelo einen besorgen lassen. Eine Gruft kannst du ebenfalls vergessen. Das ist nur Nepp. Asche zu Asche, Staub zu Staub.
    Man muss sie verbuddeln und verrotten lassen, das ist die einzig anständige Methode. Die Episkopalkirche macht das genau richtig. «
    Zwar war Ray von diesem Sturzbach an Vorschlägen etwas benommen, aber trotzdem dankbar. Den Sarg hatte der alte Atlee nicht erwähnt, dafür aber ausdrücklich eine Gruft verlangt. Außerdem einen hübschen Grabstein. Immerhin war er ein Atlee und musste zwischen anderen bedeuten-den Leuten beerdigt werden.
    Wenn irgendjemand etwas über die finanziellen Angelegenheiten seines Vaters wusste, dann Harry Rex. Während die Schatten sich über den langen Vorderrasen von Maple Run senkten, bemerkte Ray so beiläufig wie möglich: »Sieht so aus, als hätte er sein ganzes Geld gespendet.«
    »Mich überrascht das nicht. Dich etwa? «
    »Nein.«
    »Zu seiner Beerdigung werden tausend Leute kommen, die von seiner Großzügigkeit profitiert haben. Behinderte Kinder, Kranke ohne Versicherung, schwarze Kinder, denen er das College ermöglicht hat, jedes einzelne Mitglied der freiwilligen Feuerwehren aus der ganzen Gegend, die Bürger-vereine und das All-Star-Team, die Schüler der Klasse, die in Europa war.
    Unsere Kirche hat ein paar Ärzte nach Haiti geschickt, und dein Vater hat uns dafür tausend Dollar gespendet.«
    »Seit wann gehst du in die Kirche?«
    »Seit zwei Jahren.«
    »Und warum? «
    »Ich hab’ eine neue Frau.«
    »Die wievielte ist das?«
    »Die vierte. Diese mag ich aber wirklich.«
    »Da hat sie ja Glück gehabt.«
    »Sie ist auch sehr glücklich.«
    »Mir gefällt die Idee mit der Aufbahrung im Gerichtsgebäude. Die ganzen Leute, die du eben erwähnt hast, können ihm dann in aller Öffentlichkeit die letzte

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