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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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nebeneinander. »Also, was steht in dem Testament? «, fragte Forrest schließlich.
    »Willst du es lesen? «
    »Nein, erzähl’s mir.«
    » Er hat seine Vermögenswerte aufgelistet: das Haus, das Mobiliar, den Wagen, die Bücher. Auf der Bank hat er sechstausend Dollar.«
    »Das ist alles?«
    »Mehr hat er nicht erwähnt«, antwortete Ray, um nicht lügen zu müssen.
    »Hier gibt’s bestimmt mehr Geld«, sagte Forrest, der sich offenbar schon auf die Suche machen wollte.
    »Vermutlich hat er alles gespendet«, bemerkte Ray ruhig.
    »Und was ist mit seiner staatlichen Rente?«
    »Nach seiner Abwahl hat er sie sich auszahlen lassen. Ein schwerer Fehler, der ihn zehntausende Dollar gekostet hat. Was er bekommen hat, wird er gespendet haben.«
    »Du verarschst mich doch nicht etwa, Ray?«
    »Komm schon, Forrest, hier gibt’s nichts, worüber sich zu streiten lohnte.«
    »Irgendwelche Schulden?«
    »Er hat behauptet, keine zu haben.«
    »Das ist alles?«
    »Wenn du willst, kannst du das Testament ja lesen.«
    »Nicht jetzt.«

    »Er hat es gestern unterzeichnet.«
    »Glaubst du, dass er alles so geplant hatte?«
    »Sieht ganz so aus.«
    Ein schwarzer Leichenwagen vom Bestattungsinstitut Magargel’s blieb auf der Straße vor dem Anwesen stehen und bog dann langsam auf die Auffahrt von Maple Run ein.

    Forrest beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie und das Gesicht in die Hände gestützt, und begann zu weinen.

7
    Dem Leichenwagen folgte der Coroner der County, Thurber Foreman, der noch immer denselben roten Dodge-Pickup fuhr wie zu jener Zeit, als Ray auf das College ging. Unmittelbar nach Thurber traf Reverend Silas Palmer von der presbyterianischen Kirche ein, ein altersloser kleiner Mann schotti-scher Abstammung, der die Atlee-Brüder getauft hatte. Forrest machte sich aus dem Staub, um sich hinter dem Haus zu verstecken, während Ray die Neuankömmlinge auf der Veranda begrüßte. Sie sprachen ihm ihr Beileid aus. Mr. B.J. Magargel vom Bestattungsinstitut und Reverend Palmer schienen gar den Tränen nahe zu sein. Thurber hingegen hatte schon zahllose Leichen gesehen, er wirkte gleichgültig, zumindest im Augenblick noch. Allerdings verbanden sich für ihn auch keine finanziellen Interessen mit diesem Toten.
    Ray führte sie in das Arbeitszimmer, wo sie den Richter so lange re-spektvoll anblickten, bis Thurber offiziell dessen Tod festgestellt hatte.
    Worte benötigte er dafür nicht, er nickte nur - mit einem düsteren und bü-
    rokratischen Senken des Kinns schien er sagen zu wollen: »Er ist tot, Sie können die Leiche mitnehmen. « Auch Mr. Magargel nickte, Womit er seinen Teil des stillen Rituals erledigte, das die beiden schon so oft hinter sich gebracht hatten.
    Thurber zog ein Blatt Papier hervor und fragte dann nach den Persona-lien des Richters: voller Name, Geburtsdatum, Geburtsort, nächste Angehö-
    rige. Zum zweiten Mal lehnte Ray eine Obduktion ab.
    Ray und Reverend Palmer gingen ins Esszimmer hinüber. Der Geistliche war viel aufgewühlter als der Sohn. Er hatte den Richter bewundert und behauptete, eng mit ihm befreundet gewesen zu sein.
    Der Trauergottesdienst für einen Mann von der Bedeutung Reuben V.
    Atlees würde zahlreiche Freunde und Bewunderer anziehen und erforderte deshalb wohl bedachte Vorbereitungen. »Vor nicht allzu langer Zeit haben Reuben und ich darüber gesprochen«, sagte Palmer. Seine leise und heisere Stimme klang, als müsste er jeden Augenblick zu schluchzen beginnen.
    »Das ist gut«, sagte Ray.
    »Er hat die Kirchenlieder und Bibelzitate ausgewählt, außerdem hat er noch eine Liste mit den Sargträgern zusammengestellt.«
    An diese Details hatte Ray bisher noch gar nicht gedacht. Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn er nicht über das Millionenvermögen in bar gestolpert wäre. Sein überanstrengtes Gehirn lauschte Palmer und registrierte auch das meiste dessen, was er sagte. Doch dann musste er auf einmal wieder an die Besenkammer denken, und in seinem Kopf begann sich alles zu drehen. Plötzlich machte es ihn nervös, dass Thurber und Magargel allein mit dem Toten im Arbeitszimmer waren. Entspann dich, ermahnte er sich immer wieder selbst.
    »Danke«, sagte er erleichtert darüber, dass sich jemand um die Einzelheiten kümmerte. Mr. Magargels Assistent rollte eine fahrbare Bahre durch die Eingangstür in die Diele und mühte sich dann, sie in das Arbeitszimmer zu bugsieren.
    »Und er wollte eine Totenwache«, fügte der Reverend hinzu. Totenwa-chen hatten in

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