Der Richter
Clanton Tradition und waren das unverzichtbare Vorspiel zu einer angemessenen Beerdigung, speziell für die älteren Menschen.
Ray nickte.
»Hier im Haus.«
»Nein«, widersprach Ray sofort. »Nicht hier.«
Ray hatte vor, das gesamte Haus zu durchsuchen, sobald er wieder allein war, um herauszufinden, ob noch weitere Schätze zu heben waren. Außerdem machte er sich schon jetzt große Sorgen um die Barschaft, die er in der Besenkammer versteckt hatte. Wie viel Geld war es? Wie lange würde er benötigen, um es zu zählen? Waren die Banknoten echt oder gefälscht?
Woher kam das Geld? Was sollte er damit machen, wohin sollte er es bringen, wem davon erzählen? Er musste allein sein, um nachdenken, seine Gedanken ordnen und einen Plan entwickeln zu können.
»Ihr Vater hat sich in diesem Punkt sehr deutlich ausgedrückt«, sagte Palmer.
»Tut mir Leid, Reverend. Es wird eine Totenwache geben, aber nicht hier.«
»Darf ich nach dem Grund fragen?«
»Wegen meiner Mutter.«
Der Geistliche nickte. »Ich erinnere mich gut an ihre Mutter«, sagte er dann lächelnd.
»Man hat sie auf einem Tisch im vorderen Salon aufgebahrt, und es dauerte zwei Tage, bis die ganze Stadt an ihr vorbeidefiliert war. Mein Bruder und ich hatten uns oben versteckt und verfluchten unseren Vater, weil er ein solches Spektakel veranstaltete.« Ray sprach mit fester Stimme, seine Augen blitzten. »In diesem Haus wird es keine Totenwache mehr geben, Reverend.«
Weil er sich Sorgen darüber machte, wie das Haus vor neugierigen Blicken Unbefugter zu schützen war, stand Rays Entschluss unwiderruflich fest.
Wenn die Totenwache hier stattfand, würde er das gesamte Anwesen zunächst von einer Reinigungsfirma säubern lassen und zudem Essen und einen Floristen bestellen müssen. Und all das hätte bereits für den nächsten Morgen auf dem Programm gestanden.
»Ich verstehe«, sagte der Reverend.
Nun tauchte der Assistent des Bestattungsunternehmers aus dem Arbeitszimmer auf. Er zog die Bahre, während Mr. Magargel an der anderen Seite schob. Die Leiche des Richters war von Kopf bis Fuß mit einem gestärkten weißen Laken bedeckt, das an den Seiten ordentlich unter den Körper geschoben war. Thurber folgte ihnen auf dem Fuße.
Sie brachten den Richter über die Veranda nach draußen.
Den letzten Atlee, der auf Maple Run gelebt hatte.
Eine halbe Stunde später erschien Forrest wieder, der sich irgendwo hinten im Haus versteckt gehalten hatte. In der Hand hatte er ein hohes Glas mit einer verdächtig aussehenden braunen Flüssigkeit. Eistee war es mit Sicherheit nicht. »Sind sie weg?«, fragte er, während er den Blick über die Auffahrt schweifen ließ.
»Ja«, antwortete Ray, der auf der Treppe vor der Veranda saß und ei-ne Zigarre rauchte. Als Forrest neben ihm Platz nahm, roch er sofort den Whiskey.
»Wo hast du den Fusel gefunden?«
»Er hatte ein Versteck in seinem Badezimmer. Willst du auch einen Schluck?«
»Nein. Seit wann weißt du das?«
»Seit dreiundzwanzig Jahren.«
Ein Dutzend Strafpredigten kamen Ray in den Sinn, aber er kämpfte dagegen an. Schon so oft hatte er seinem Bruder Vorträge gehalten, aber offensichtlich war das sinnlos gewesen, weil Forrest jetzt hier saß und Bourbon schlürfte, nachdem er hunderteinundvierzig Tage trocken geblieben war.
»Wie geht’s Ellie?«, fragte er nach einem tiefen Zug aus seiner Zigarre.
»Sie ist total verrückt, ganz wie immer.«
»Wird sie zur Beerdigung kommen?«
»Nein, sie ist jetzt wieder bei hundertvierzig Kilo angelangt. Siebzig Kilo ist ihr Limit. Liegt sie darunter, geht sie aus dem Haus, aber ab einundsiebzig Kilo verbarrikadiert sie sich.«
»Wann war sie zum letzten Mal unter siebzig Kilo?«
»Vor drei oder vier Jahren. Sie hatte einen durchgeknallten Arzt gefunden, der ihr Pillen gab. Bald wog sie keine fünfzig mehr. Der Arzt wanderte in den Knast, und sehr schnell war sie wieder bei hundertvierzig. Aber nach oben ist das ihr absolutes Maximum. Sie stellt sich jeden Tag auf die Waage und flippt aus, wenn die Nadel auch nur ein Gramm mehr anzeigt.«
»Ich habe Reverend Palmer gesagt, dass es eine Totenwache geben wird, aber nicht hier im Haus.«
»Du bist der Verantwortliche.«
»Bist du einverstanden?«
»Klar.«
Ein tiefer Schluck Bourbon, ein tiefer Zug aus der Zigarre.
»Was ist mit der Schlampe, die dich sitzen gelassen hat? Wie hieß sie noch gleich? «
»Vicki.«
»Genau, Vicki. Schon auf deiner Hochzeit habe ich diese Kuh gehasst.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher