Der Richter
versuchte, Forrest war ein sehr emotionaler und dünnhäutiger Typ. »0 mein Gott«, murmelte er jetzt. Dann ging er unbeholfen zu dem Korbstuhl hinüber, setzte sich und starrte seinen Vater ungläubig an.
»Ist er wirklich tot?«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»ja, Forrest. «
Forrest musste schwer schlucken und gegen die Tränen ankämpfen.
»Wann bist du angekommen?«, fragte er schließlich.
Ray setzte sich auf einen Stuhl und drehte ihn herum, um seinem Bruder in die Augen blicken zu können. »So um fünf. Ich ging in sein Arbeitszimmer und dachte erst, dass er nur ein Nickerchen hält. Dann begriff ich, dass er tot war. «
»Tut mir Leid, dass du ihn finden musstest«, sagte Forrest, der sich Tränen aus den Augenwinkeln wischte.
»Einer musste ihn ja finden.«
»Und was tun wir jetzt?«
»Wir werden das Bestattungsinstitut anrufen.«
Forrest nickte, als wüsste er genau, dass exakt das zu tun war. Er stand auf und ging mit unsicheren Schritten zum Sofa hinüber, wo er die Hände seines Vaters berührte. »Wie lange ist er schon tot? «, murmelte er. Seine Stimme klang heiser und mitgenommen.
»Ich weiß es nicht. Ein paar Stunden.«
»Und was ist das da?«
»Morphium.«
»Glaubst du, dass er die Dosis absichtlich ein bisschen erhöht hat?«
»Ich hoffe es«, antwortete Ray.
»Eigentlich hätten wir bei ihm sein sollen.«
»Lass uns jetzt nicht damit anfangen.«
Forrest blickte sich in dem Arbeitszimmer um, als sähe er es zum ersten Mal. Dann ging er zu dem Sekretär hinüber und blickte auf die Schreibmaschine. »Vermutlich wird er jetzt kein neues Farbband mehr brauchen«, bemerkte er.
»Nein, vermutlich nicht.« Ray sah auf den Kabinettschrank hinter dem Sofa. »Wenn du es lesen willst, da liegt sein Testament. Er hat es gestern unterschrieben.«
»Was steht drin?«
»Alles wird gleichmäßig zwischen uns aufgeteilt. Ich bin der Nachlassverwalter.«
»Natürlich bist du der Nachlassverwalter.« Forrest trat hinter den Mahagonischreibtisch und warf einen schnellen Blick auf die Papierstö-
ße. »Seit neun Jahren war ich nicht mehr in diesem Haus. Kaum zu glauben, oder?«
»Allerdings.«
»Ein paar Tage nach seiner Abwahl war ich hier, um ihm zu sagen, wie Leid es mir tut, dass die Wähler ihn aus dem Amt gekippt haben.
Dann habe ich ihn angepumpt, und es gab eine Auseinandersetzung.«
»Bitte nicht jetzt, Forrest.«
Gespräche über die Streitigkeiten zwischen Forrest und ihrem Vater konnten sich endlos in die Länge ziehen.
»Ich habe das Geld nie bekommen«, murmelte Forrest, während er die Schreibtischschublade aufzog. »Vermutlich werden wir das alles durchsehen müssen, stimmt’s?«
»Ja, aber nicht jetzt.«
»Du wirst das tun, Ray. Schließlich bist du der Nachlassverwalter.
Die Drecksarbeit ist dein Job.«
»Wir müssen das Bestattungsinstitut anrufen.«
»Ich brauche einen Drink.«
»Bitte nicht, Forrest.«
»Gib’s auf, Ray. Wenn ich einen Drink will, genehmige ich mir auch einen.«
»Was du schon unzählige Male unter Beweis gestellt hast. Komm, ich rufe das Beerdigungsinstitut an, und dann warten wir gemeinsam auf der Veranda.«
Zuerst traf ein Polizist ein, ein junger Mann mit kahl geschorenem Schädel, der ganz so wirkte, als hätte ihn jemand bei seinem sonntäglichen Nickerchen gestört und ihn unsanft an seinen Beruf erinnert.
Nachdem er auf der Veranda ein paar Fragen gestellt hatte, sah er sich die Leiche an. Papierkram musste erledigt werden, und während das geschah, bereitete Ray eine Kanne Eistee mit viel Zucker zu.
»Todesursache?«, fragte der Polizist.
»Krebs, Herzschwäche, Diabetes und das Alter«, erwiderte Ray. Er und Forrest saßen auf der Hollywoodschaukel und wippten leicht.
» Reicht Ihnen das?«, fragte Forrest sarkastisch. Sollte er jemals Respekt vor Polizisten gehabt haben, so waren diese Zeiten seit Ewigkeiten vorbei.
»Bestehen Sie auf einer Obduktion?«
»Nein«, antworteten die beiden Brüder wie aus einem Mund.
Nachdem der Polizist die Formulare ausgefüllt und Ray und Forrest sie unterzeichnet hatten, verschwand der Gesetzeshüter. »Jetzt wird sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer verbreiten«, sagte Ray.
»Aber doch nicht in unserer lieblichen Kleinstadt.«
»Kaum zu glauben, oder? Die Menschen in dieser Gegend tratschen. «
»Ich habe ihnen zwanzig Jahre lang Gesprächsstoff geliefert.«
»Allerdings.«
Ihre leeren Gläser in der Hand haltend, saßen sie Schulter an Schulter
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