Der Riesenmaulwurf
wenn ich mir sagte,
daß die Vorwürfe des Mannes im Grunde nur darauf zurückge-
hen, daß er gewissermaßen seinen Maulwurf mit beiden Händen
festhält und jeden, der ihm nur mit dem Finger nahe kommen will,
einen Verräter nennt. Es war nicht so, sein Verhalten war nicht
durch Geiz, wenigstens nicht durch Geiz allein zu erklären, eher
durch die Gereiztheit, welche seine großen Anstrengungen und
deren vollständige Erfolglosigkeit in ihm hervorgerufen hatten.
Aber auch die Gereiztheit erklärte nicht alles. Vielleicht war mein
Interesse an der Sache wirklich zu gering. An Fremden war für den
Lehrer Interesselosigkeit schon etwas Gewöhnliches, er litt darun-
ter im allgemeinen, aber nicht mehr im einzelnen. Hier aber hatte
sich endlich einer gefunden, der sich der Sache in außerordentlicher
Weise annahm, und selbst dieser begriff die Sache nicht. Einmal
in diese Richtung gedrängt, wollte ich gar nicht leugnen. Ich bin
kein Zoologe, vielleicht hätte ich mich für diesen Fall, wenn ich
ihn selbst entdeckt hätte, bis auf den Herzensgrund ereifert, aber
ich hatte ihn doch nicht entdeckt. Ein so großer Maulwurf ist ge-
wiß eine Merkwürdigkeit, aber die dauernde Aufmerksamkeit der
ganzen Welt darf man nicht dafür verlangen, besonders wenn die
Existenz des Maulwurfs nicht vollständig einwandfrei festgestellt
ist und man ihn jedenfalls nicht vorführen kann. Und ich gestand
auch ein, daß ich mich wahrscheinlich für den Maulwurf selbst,
wenn ich der Entdecker gewesen wäre, niemals so eingesetzt hätte,
wie ich es für den Lehrer gern und freiwillig tat.
Nun hätte sich wahrscheinlich die Nichtübereinstimmung zwi-
schen mir und dem Lehrer bald aufgelöst, wenn meine Schrift
Erfolg gehabt hätte. Aber gerade dieser Erfolg blieb aus. Vielleicht
war sie nicht gut, nicht überzeugend genug geschrieben, ich bin
Kaufmann, die Abfassung einer solchen Schrift geht vielleicht
über den mir gesetzten Kreis noch weiter hinaus, als dies beim
Lehrer der Fall war, obwohl ich allerdings in allen hierfür nötigen
Kenntnissen den Lehrer bei weitem übertraf. Auch ließ sich der
Mißerfolg noch anders deuten, der Zeitpunkt des Erscheinens war
vielleicht ungünstig. Die Entdeckung des Maulwurfes, die nicht
hatte durchdringen können, lag einerseits nicht so weit zurück, als
daß man sie vollständig vergessen hätte und durch meine Schrift
also etwa überrascht worden wäre, andererseits aber war Zeit genug
vergangen, um das geringe Interesse, das ursprünglich vorhanden
gewesen war, gänzlich zu erschöpfen. Jene, die sich überhaupt
über meine Schrift Gedanken machten, sagten sich mit einer
Trostlosigkeit, die schon vor Jahren diese Diskussion beherrscht
hatte, daß nun wohl wieder die nutzlosen Anstrengungen für diese
öde Sache beginnen sollen, und manche verwechselten sogar meine
Schrift mit der des Lehrers. In einer führenden landwirtschaftli-
chen Zeitschrift fand sich folgende Bemerkung, glücklicherwei-
se nur zum Schluß und klein gedruckt: »Die Schrift über den
Riesenmaulwurf ist uns wieder zugeschickt worden. Wir erinnern
uns, schon einmal vor Jahren über sie herzlich gelacht zu haben.
Sie ist seitdem nicht klüger geworden und wir nicht dümmer. Bloß
lachen können wir nicht zum zweitenmal. Dagegen fragen wir un-
sere Lehrervereinigungen, ob ein Dorfschullehrer nicht nützlichere
Arbeit finden kann, als Riesenmaulwürfen nachzujagen.« Eine
unverzeihliche Verwechslung! Man hatte weder die erste, noch die
zweite Schrift gelesen, und die zwei armseligen in der Eile aufge-
schnappten Worte Riesenmaulwurf und Dorfschullehrer genügten
schon den Herren, um sich als Vertreter anerkannter Interessen in
Szene zu setzen. Dagegen hätte gewiß Verschiedenes mit Erfolg
unternommen werden können, aber die mangelnde Verständigung
mit dem Lehrer hielt mich davon ab. Ich versuchte vielmehr, die
Zeitschrift vor ihm geheimzuhalten, so lange es mir möglich war.
Aber er entdeckte sie sehr bald, ich erkannte es schon aus einer
Bemerkung in einem Brief, in dem er mir seinen Besuch für die
Weihnachtsfeiertage in Aussicht stellte. Er schrieb dort: »Die Welt
ist schlecht und man macht es ihr leicht«, womit er ausdrücken
wollte, daß ich zu der schlechten Welt gehöre, mich aber mit der
mir innewohnenden Schlechtigkeit nicht begnüge, sondern es der
Welt auch noch leicht mache, das heißt, tätig bin, um die allgemei-
ne Schlechtigkeit hervorzulocken und
Weitere Kostenlose Bücher