Der Riesenmaulwurf
dies
besonders zu beachten, und wenn es beliebt, auch zu verbreiten.«
Vorläufig hielt ich dieses Rundschreiben noch mit den Händen
verdeckt und sagte: »Wollt Ihr mir Vorwürfe machen, weil es
nicht so gekommen ist? Warum wollt Ihr das tun? Verbittern
wir uns doch nicht das Auseinandergehen. Und versucht end-
lich einzusehen, daß Ihr zwar eine Entdeckung gemacht habt,
daß aber diese Entdeckung nicht etwa alles andere überragt und
daß infolgedessen auch das Unrecht, das Euch geschieht, nicht
ein alles andere überragendes Unrecht ist. Ich kenne nicht die
Satzungen der gelehrten Gesellschaften, aber ich glaube nicht,
daß Euch selbst im günstigsten Falle ein Empfang bereitet wor-
den wäre, der nur annähernd an jenen herangereicht hätte, wie
Ihr ihn vielleicht Eurer armen Frau beschrieben habt. Wenn ich
selbst etwas von der Wirkung der Schrift erhoffte, so glaubte ich,
daß vielleicht ein Professor auf unseren Fall aufmerksam gemacht
werden könnte, daß er irgendeinen jungen Studenten beauftragen
würde, der Sache nachzugehen, daß dieser Student zu Euch ge-
fahren und dort Eure und meine Untersuchungen nochmals in
seiner Weise überprüfen würde, und daß er schließlich, wenn ihm
das Ergebnis erwähnenswert schiene – hier ist festzuhalten, daß
alle jungen Studenten voll Zweifel sind –, daß er dann eine eigene
Schrift herausgeben würde, in welcher das, was Ihr geschrieben
habt, wissenschaftlich begründet wäre. Jedoch selbst dann, wenn
sich diese Hoffnung erfüllt hätte, wäre noch nicht viel erreicht
gewesen. Die Schrift des Studenten, die einen so sonderbaren Fall
verteidigt hätte, wäre vielleicht lächerlich gemacht worden. Ihr
seht hier an dem Beispiel der landwirtschaftlichen Zeitschrift, wie
leicht das geschehen kann, und wissenschaftliche Zeitschriften
sind in dieser Hinsicht noch rücksichtsloser. Es ist auch verständ-
lich, die Professoren tragen viel Verantwortung vor sich, vor der
Wissenschaft, vor der Nachwelt, sie können sich nicht jeder neuen
Entdeckung gleich an die Brust werfen. Wir andern sind ihnen
gegenüber darin im Vorteil. Aber ich sehe von dem ab und will
jetzt annehmen, daß die Schrift des Studenten sich durchgesetzt
hätte. Was wäre dann geschehen? Euer Name wäre wohl einigemal
in Ehren genannt worden, er hätte wahrscheinlich auch Eurem
Stand genützt, man hätte gesagt: ›Unsere Dorfschullehrer haben
offene Augen‹, und die Zeitschrift hier hätte, wenn Zeitschriften
Gedächtnis und Gewissen hätten, Euch öffentlich abbitten müssen,
es hätte sich dann auch ein wohlwollender Professor gefunden, um
ein Stipendium für Euch zu erwirken, es ist auch wirklich möglich,
daß man versucht hätte, Euch in die Stadt zu ziehen, Euch eine
Stelle an einer städtischen Volksschule zu verschaffen und Euch so
Gelegenheit zu geben, die wissenschaftlichen Hilfsmittel, welche
die Stadt bietet, für Eure weitere Ausbildung zu verwerten. Wenn
ich aber offen sein soll, so muß ich sagen, ich glaube, man hätte
es nur versucht. Man hätte Euch hierher berufen, Ihr wäret auch
gekommen, und zwar als gewöhnlicher Bittsteller, wie es Hunderte
gibt, ohne allen festlichen Empfang, man hätte mit Euch gespro-
chen, hätte Euer ehrliches Streben anerkannt, hätte aber doch auch
gleichzeitig gesehen, daß Ihr ein alter Mann seid, daß in diesem
Alter der Beginn eines wissenschaftlichen Studiums aussichtslos
ist und daß Ihr vor allem mehr zufällig als planmäßig zu Eurer
Entdeckung gelangt seid und über diesen Einzelfall hinaus nicht
einmal weiter zu arbeiten beabsichtigt. Man hätte Euch aus die-
sen Gründen wohl im Dorf gelassen. Eure Entdeckung allerdings
wäre weitergeführt worden, denn so klein ist sie nicht, daß sie,
einmal zur Anerkennung gekommen, jemals vergessen werden
könnte. Aber Ihr hättet nicht mehr viel von ihr erfahren, und was
Ihr erfahren hättet, hättet Ihr kaum verstanden. Jede Entdeckung
wird gleich in die Gesamtheit der Wissenschaften geleitet und hört
damit gewissermaßen auf, Entdeckung zu sein, sie geht im Ganzen
auf und verschwindet, man muß schon einen wissenschaftlich
geschulten Blick haben, um sie dann noch zu erkennen. Sie wird
gleich an Leitsätze geknüpft, von deren Dasein wir noch gar nicht
gehört haben, und im wissenschaftlichen Streit wird sie an diesen
Leitsätzen bis in die Wolken hinaufgerissen. Wie wollen wir das
begreifen? Wenn wir gelehrten Diskussionen zuhören,
Weitere Kostenlose Bücher