Der Riesenmaulwurf
ihr zum Sieg zu verhelfen.
Nun, ich hatte schon die nötigen Entschlüsse gefaßt, konnte ihn
ruhig erwarten und ruhig zusehen, wie er ankam, sogar weniger
höflich grüßte als sonst, sich stumm mir gegenübersetzte, sorgfäl-
tig aus der Brusttasche seines eigentümlich wattierten Rockes die
Zeitschrift hervorzog und sie aufgeschlagen vor mich hinschob.
»Ich kenne es«, sagte ich und schob die Zeitschrift ungelesen
wieder zurück. »Sie kennen es«, sagte er seufzend, er hatte die
alte Lehrergewohnheit, fremde Antworten zu wiederholen. »Ich
werde das natürlich nicht ohne Abwehr hinnehmen«, fuhr er fort,
tippte aufgeregt mit dem Finger auf die Zeitschrift und sah mich
dabei scharf an, als wäre ich der entgegengesetzten Meinung; eine
Ahnung dessen, was ich sagen wollte, hatte er wohl; ich habe auch
sonst nicht so sehr aus seinen Worten, als aus sonstigen Zeichen zu
bemerken geglaubt, daß er oft eine sehr richtige Empfindung für
meine Absichten hatte, ihr aber nicht nachgab und sich ablenken
ließ. Das, was ich ihm damals sagte, kann ich fast wortgetreu wie-
dergeben, da ich es kurz nach der Unterredung notiert habe. »Tut,
was Ihr wollt«, sagte ich, »unsere Wege scheiden sich von heute
ab. Ich glaube, daß es Euch weder unerwartet, noch ungelegen
kommt. Die Notiz hier in der Zeitschrift ist nicht die Ursache
meines Entschlusses, sie hat ihn bloß endgültig befestigt; die ei-
gentliche Ursache liegt darin, daß ich ursprünglich glaubte, Euch
durch mein Auftreten nützen zu können, während ich jetzt sehen
muß, daß ich Euch in jeder Richtung geschadet habe. Warum es
sich so gewendet hat, weiß ich nicht, die Gründe für Erfolg und
Mißerfolg sind immer vieldeutig, sucht nicht nur jene Deutungen
hervor, die gegen mich sprechen. Denkt an Euch, auch Ihr hattet
die besten Absichten und doch Mißerfolg, wenn man das Ganze
ins Auge faßt. Ich meine es nicht im Scherz, es geht ja gegen mich
selbst, wenn ich sage, daß auch die Verbindung mit mir leider zu
Euren Mißerfolgen zählt. Daß ich mich jetzt von der Sache zu-
rückziehe, ist weder Feigheit noch Verrat. Es geschieht sogar nicht
ohne Selbstüberwindung; wie sehr ich Eure Person achte, geht
schon aus meiner Schrift hervor, Ihr seid mir in gewisser Hinsicht
ein Lehrer geworden, und sogar der Maulwurf wurde mir fast lieb.
Trotzdem trete ich beiseite, Ihr seid der Entdecker, und wie ich es
auch anstellen wollte, ich hindere immer, daß der mögliche Ruhm
Euch trifft, während ich den Mißerfolg anziehe und auf Euch
weiterleite. Wenigstens ist dies Eure Meinung. Genug davon. Die
einzige Buße, die ich auf mich nehmen kann, ist, daß ich Euch um
Verzeihung bitte und wenn Ihr es verlangt, das Geständnis, das ich
Euch hier gemacht habe, auch öffentlich, zum Beispiel in dieser
Zeitschrift, wiederhole.«
Das waren damals meine Worte, sie waren nicht ganz aufrich-
tig, aber das Aufrichtige war ihnen leicht zu entnehmen. Meine
Erklärung wirkte auf ihn so, wie ich es ungefähr erwartet hat-
te. Die meisten alten Leute haben jüngeren gegenüber etwas
Täuschendes, etwas Lügnerisches in ihrem Wesen, man lebt ruhig
neben ihnen fort, glaubt das Verhältnis gesichert, kennt die vor-
herrschenden Meinungen, bekommt fortwährend Bestätigungen
des Friedens, hält alles für selbstverständlich und plötzlich, wenn
sich doch etwas Entscheidendes ereignet und die so lange vorberei-
tete Ruhe wirken sollte, erheben sich diese alten Leute wie Fremde,
haben tiefere, stärkere Meinungen, entfalten förmlich jetzt erst
ihre Fahne und man liest darauf mit Schrecken den neuen Spruch.
Dieser Schrecken stammt vor allem daher, weil das, was die Alten
jetzt sagen, wirklich viel berechtigter, sinnvoller, und als ob es eine
Steigerung des Selbstverständlichen gäbe, noch selbstverständli-
cher ist. Das unübertrefflich Lügnerische daran aber ist, daß sie das,
was sie jetzt sagen, im Grunde immer gesagt haben. Ich muß mich
tief in diesen Dorfschullehrer eingebohrt haben, daß er mich jetzt
nicht ganz überraschte. »Kind«, sagte er, legte seine Hand auf die
meine und rieb sie freundschaftlich, »wie kamt Ihr denn überhaupt
auf den Gedanken, Euch auf diese Sache einzulassen? – Gleich als
ich zum erstenmal davon hörte, sprach ich mit meiner Frau dar-
über.« Er rückte vom Tische ab, breitete die Arme aus und blickte
zu Boden, als stehe dort unten winzig seine Frau und er spreche
mit ihr. »›So viele
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