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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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afrikanischen Alabasterkörper. »Wir müssen zu den Landungsbrücken! Brücke Vier! Unser bescheuerter Lehrer wartet auf uns mit einer langweiligen Hafenrundfahrt!«
    »Dabei ist eine Rikschafahrt doch viiiel aufregender«, gurrte Mo, eine Oktave unter Normalnull. Bei dem weiß man nie, ob er es ernst meint oder nicht, dachte Max. Aber Barbie trübten vermutlich prinzipiell keine Selbstzweifel. Und deshalb kam sie auch gar nicht erst auf die Idee, dass Mo sie vielleicht auf die Rolle nahm. Sie schob kess ihr Becken vor und ließ unschuldig die Lider flattern.
    »Jaaa? Würd’ ich gerne mal antesten.«
    »Was kostet das denn?« schaltete sich Elfe Nummer Zwei wagemutig ein.
    »Zehn Euro! Pro Rikscha!« legte Kuli energisch fest. »Immer zwei von Euch nebeneinander, ist bloß ein schlapper Fünfer für jede!«
    »Okay!« gab Barbie das Startsignal, und die Grazien trollten sich aufgekratzt kichernd hinaus in den Regen, hinüber zu den Rikschas. Leichte Fuhre, schätzte Max. Die Mädels wiegen garantiert weniger als ihre Einkaufstüten. Bis auf eine: Schlabberbluse schlich gesenkten Hauptes hinter ihren Kameradinnen her, als ginge es zum Schafott. Max sinnierte nicht länger darüber, denn etwas Anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich: In seiner Rikscha saß bereits jemand! Die obere Körperhälfte verdeckt durch das heruntergeklappte Regendach, ragte nur ein schlankes Beinpaar sichtbar hervor. Max trat vor sein quietschgelbes Mobil und peilte unter den Baldachin.
    »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
    »Oh, hallo – ist das Ihre Rikscha?« Das »ist« kam eine Spur langgezogen als »iiest«, das Rikscha-»R« rollte wie der Donner über die Taiga, und sie wirkte offensichtlich irritiert. Apart. Dunkler, seelenvoller Blick, volle Lippen, hohe Wangenknochen. Dezentes Make-up stand im frechen Kontrast zu aufreizenden Klamotten. Auf den zweiten Blick erahnte Max hinter der glamourösen Fassade Kindergrübchen auf den rosigen Wangen und einen winzigsüßen Restansatz Babyspeck. Taiga-Lilli, keine Sechzehn, schoss es ihm durch den Sinn. Der Tag der aufgebrezelten Teenage-Vamps.
    »Ja. Ist meine. Und eigentlich bin ich schon gebucht…«
    »Bleiben Sie ruhig sitzen!« funkte Schlabberbluse in einem Anfall von Entschlossenheit dazwischen. »Ich nehme gern ein Taxi!«
    »Nein, nein!« wehrte die Taiga-Lilli ab. »Ich wollte nicht fahren! Wollte mich nur bei jemand bedanken. Ist Verwechslung, sorry.«
    Sie kletterte schon eilig vom Bock. Einen Augenblick später hatte die Menge der Passanten ihre zierliche Gestalt geschluckt. Max blieb zum Wundern keine Zeit, denn jetzt klatschte Mo vernehmlich in die Hände:
    »Meine Damen: Bitte Platz zu nehmen!«
    Kindergeburtstag. Reise nach Jerusalem. Blitzartig flitzte je ein Grazienduo in die stromlinienförmigen City-Cycles. Übrig blieben Schlabberbluse und der quietschgelbe Anachronismus auf Rädern. Das dicke Mädchen spannte einen viel zu kleinen Schirm auf.
    »Ich gehe zu Fuß.«
    Die Faust um den Knauf ihres lächerlichen Schirms gepresst, verschwamm ihre Stimme in mühsam unterdrückten Tränen. Max Harder sah ihr zum ersten Mal direkt in die Augen – zwei tiefgrüne Seen über einer zierlichen Nase, die so gar nicht zu ihrer XXL-Figur zu passen schien. Ihr Doppelkinn zitterte vor Scham und Verletztheit. Doch als aus den City-Cycle-Rikschas jetzt das nur schlecht verhohlene, hämische Gekicher der Mitschülerinnen herüber scholl, las Max in ihren Augen nicht bloß pure Depression, sondern auch eine Fassungslosigkeit über diese Gemeinheit, die ihn zutiefst rührte.
    »Kommt nicht in Frage«, schüttelte er den Kopf. »Ich habe eben gerade eine Kundin weggeschickt, weil Sie mein Passagier sind. Willkommen an Bord!«
    Sie ließ sich widerstandslos von Max den Schirm aus der Hand nehmen und unter den Baldachin auf die Fahrgastbank lotsen, die normalerweise zwei Leuten Platz bot. Schlabberbluse füllte die Bank alleine. Die Federung ächzte vernehmlich.
    »Eigentlich wären damit wohl Kaffee und Hotdogs fällig«, feixte Mo.
    »Sehe ich auch so!« stieß Kuli ins selbe Horn.
    Max schob seine schwer beladene Rikscha heran und musterte seine Kollegen kalt. »Ihr zahlt den Kaffee, die Hotdogs und außerdem einen Fuffi für mein Abendessen. Weil ich nämlich vor Euch Schwachmaten an den Landungsbrücken bin.«
    »Bitte nicht!« vernahm Max den ebenso leisen wie verzweifelten Protest von der Rückbank seiner Rikscha, aber das kam zu spät. Mo und Kuli wanden sich vor Lachen,

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