Der Ring der Kraft - Covenant 06
dem Sonnenübel des Verächters auszuliefern?
Aber er konnte auf seinen Ring nicht verzichten. Schon die bloße Vorstellung war für ihn ein einziger Schrecken. Dieser metallene Reif bedeutete ihm viel zuviel; er enthielt für ihn jede harte Bekräftigung von Leben und Liebe, die er der besonderen Grausamkeit seiner Vereinsamung, seinem Leprotikerschicksal je entrungen hatte. Die Alternative war besser. Jawohl. Vernichtung! Oder das Risiko der Vernichtung, während er nach irgendeinem andersartigen Ausweg suchte.
Sein Dilemma veranlaßte ihn zum Schweigen. Während seiner früheren Auseinandersetzung mit Lord Foul hatte er das ruhige Zentrum seines Schwindelgefühls gefunden und genutzt, den Ruhepunkt der Kraft zwischen den Gegensätzen seines Schicksals; diesmal jedoch gab es anscheinend kein solches Zentrum, keine Stelle, an der er stehen und sich selbst und die Erde stützen konnte. Und die Notwendigkeit der Entscheidung war furchtbar.
Doch inzwischen hatte sich Linden wieder in der Gewalt. Die Vorstellungen, die ihr die meiste Pein bereiteten, waren andere als jene, die Covenant so erschreckten; und er hatte ihr die Gelegenheit verschafft, ihre Bestürzung zu überwinden. Der Blick, den sie ihm widmete, war noch aus Betroffenheit schwächlich, gleichzeitig jedoch wieder wach, dazu imstande, seine Nöte zu durchschauen. Einen Moment lang stand Mitgefühl im Brennpunkt ihres Blicks. Dann wandte sie sich erneut an den Ernannten, und etwas wie bedrohliches Knistern durchzog ihre Stimme. »Das sind doch nur Spekulationen. Du sorgst dich nur, du könntest deine kostbare Freiheit verlieren, deshalb versuchst du, ihm die Verantwortung für alles zuzuschieben. Du hast uns noch immer nicht die Wahrheit gesagt.« Findail drehte sich ihr zu; und Covenant sah, wie sie zusammenzuckte, als hätten die Augen des Elohim sie versengt. Aber sie ließ sich nicht abschrecken. »Wenn du willst, daß wir dir glauben, verrate uns, was es mit Hohl auf sich hat.« Da prallte Findail zurück. Unverzüglich stieß Linden nach. »Erst habt ihr ihn eingesperrt, als wäre seine bloße Existenz ein Verbrechen an euch. Und ihr habt versucht, uns auszutricksen, damit wir nicht merken, was ihr treibt. Als er dann geflohen ist, wolltet ihr ihn umbringen. Und dann, nachdem er und Seeträumer dich an Bord des Schiffs entdeckt hatten, hast du etwas zu ihm gesagt.« Lindens Miene spiegelte düstere Erinnerungen wider. »Du hast gesagt: ›Was du auch anderes treiben magst oder zu treiben gedenkst, das werde ich nicht dulden.‹« Der Ernannte setzte zu einer Erwiderung an; doch sie kam ihm zuvor. »Und später hast du folgendes geäußert: ›Allein jenem, den ihr Hohl nennt, ist's gegeben, mich zu vertreiben. Mir läge viel daran, täte er's.‹ Und seitdem bist du kaum einmal aus seiner Nähe gewichen – außer wenn's dir gerade in den Sinn kam, dich zu verdrücken, statt uns zu helfen.« Eindeutig war Linden eine Frau, die mittlerweile allerhand gelernt hatte, was Mut betraf. »Von Anfang an hast du dich für ihn mehr als für uns interessiert. Warum erklärst du uns zur Abwechslung nicht einmal das? «
Ihr ganzer Zorn richtete sich gegen den Elohim ; und einen Moment lang dachte Covenant, Findail werde antworten. Aber da straffte sich seine Miene stetigen Kummers. Trotz seines Elends ähnelte sein Gesichtsausdruck nun dem hochmütigen Gebaren Chants und Infelizitas'. »Vom Dämondim-Sproß«, sagte er grimmig, »gedenke ich nicht zu sprechen.«
»Ja, richtig «, fuhr Linden ihn an. »Natürlich willst du's nicht! Sonst würdest du uns ja womöglich einen eigenen Anlaß zur Hoffnung geben. Dann brauchten wir nämlich nicht nach deiner Pfeife zu tanzen.« Sie hielt seinem Blick stand; und trotz all seiner Macht und seines Wissens wirkte er neben ihr plötzlich niedrig und jämmerlich. »Ach, laß nur!« fügte sie gedämpft und voller Verdrossenheit hinzu. »Hau ab! Du drehst mir den Magen um.«
Mit einem schroffen Achselzucken kehrte Findail ihr den Rücken zu. Aber ehe er verschwinden konnte, mischte sich Covenant ein. »Einen Moment mal!« Ihm war aus Furcht und unzumutbaren Entscheidungen halb verrückt zumute; aber ein Fragment der Klarheit war in ihm aufgetaucht, und er sah noch etwas, in bezug auf das man ihn hintergangen hatte. Lena hatte behauptet, er wäre der wiedergeborene Berek. Und die Lords hatten davon gehört und es ebenfalls geglaubt. Was war schiefgegangen? »Wir haben keinen Ast des Einholzbaums bekommen können. Das war
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