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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Fackel brannte nieder. Zur Hälfte hatte die Flamme sie schon verzehrt. Irgendwo jenseits des Berggesteins war es über dem Land Tag oder Nacht; Covenant hatte jedes Zeitgefühl verloren. Hier unten in der lichtlosen Unbarmherzigkeit von Lord Fouls Wohnsitz hatte Zeit keinerlei Bedeutung. Nur die Fackel zählte, das Holz, von Linden mit Fingern umklammert, deren Knöchel weißlich hervortraten – und die Tatsache, er war nicht allein. Es gab keinen anderen Weg.
    Ohne jedes Vorzeichen wichen die Felswände plötzlich in den Hintergrund, und Covenant hatte Eindrücke eines enorm weiten Hohlraums über seinem Kopf. Linden verharrte, erforschte die Finsternis. Als sie die Fackel in die Höhe hob, sah Covenant, daß sie den Gang verlassen hatten und am Fuß einer senkrechten Wand aus rohem Erdgestein standen. Kühle Luft kribbelte auf Covenants Wangen. Der Felsen schien nach oben zu ragen, ohne jemals zu enden. Linden blickte Covenant an, als wüßte sie nicht weiter. Die karge Helligkeit der Fackel gab ihren Augen ein hohles, mißhandeltes Aussehen.
    In einigem Abstand von der Ausmündung des Gangs schrägte sich mit beträchtlicher Steigung ein Hang aus Schiefer, Lehm und Unrat aufwärts – zu steil und schlüpfrig, um erstiegen werden zu können. Covenant und Linden befanden sich auf dem Grund einer breiten Felsspalte. Irgendwelche Gesteinsschichten hoch droben in der Dunkelheit waren vor wer weiß wieviel Jahrtausenden herabgebrochen, hatten unten die Hälfte des Felsbodens mit Trümmern bedeckt.
    Aus dem Schwarz rundum schwärmten Erinnerungen auf Covenant ein; Wiedererkennen rann ihm wie kalter Schweiß über den Rücken. Seine gesamte Haut fühlte sich klamm und kränklich an. Hier sah es aus wie an der Stelle ... Der Stelle, wo er damals abgestürzt war, wo ein Urböser versucht hatte, ihm den Finger mit dem Ring abzubeißen, und nirgends war Licht, nichts war vorhanden gewesen, um ihn vor dem Hinterhalt des Wahnsinns zu schützen, ausgenommen sein hartnäckiges Beharren auf sich selbst. Dieser Schutz aber war jetzt nichts mehr wert. Das Kiril Threndor konnte nicht weit sein. Lord Foul war nah.
    »Hier entlang.« Linden deutete nach links, an der hohen, senkrechten Wand entlang. Ihre Stimme klang dumpf, halb beklommen infolge der Mühe, die sie darauf verwenden mußte, den Mut nicht sinken zu lassen. Ihre Wahrnehmungen teilten ihr Dinge mit, die sie entsetzten. Obwohl Covenants Sinne unerfreulich begrenzt waren, spürte er, daß sich in ihr Hysterie bemerkbar zu machen begann. Aber statt zu schreien, pflegte sie in nahezu völlige Handlungsunfähigkeit zu verfallen. Wie unheilvoll mußte Lord Fouls Gegenwart auf so empfindliche Nerven wie ihre wirken? Covenant besaß wenigstens das Polster seiner Gefühllosigkeit. Linden dagegen hatte überhaupt nichts zu ihrer Verteidigung zur Verfügung, hätte genausogut nackt sein können. Sie hatte bereits zuviel Tod kennengelernt. Sie haßte den Tod – und wünschte sich doch, an seiner unumstößlichen Macht teilhaben zu dürfen. Linden hielt sich für schlecht.
    Covenant konnte sich nicht des Gefühls erwehren, er sähe sie im unsteten Fackelschein schon unter dem Druck der Emanationen Lord Fouls in Lähmung geraten. Aber noch bewegte sie sich. Oder womöglich zwang der Wille des Verächters sie dazu. Schwerfällig wandte sie sich in die Richtung, in die sie gezeigt hatte. Covenant folgte ihr. Seine Gelenke waren allesamt steif von stummem Bitten. Halt aus! Du hast das Recht zu freien Entscheidungen. Du brauchst dich nicht so beeindrucken zu lassen. Niemand kann dir das Recht auf deine eigenen Entscheidungen nehmen. Doch es gelang ihm nicht, Worte durch seine zusammengekrampfte Kehle zu pressen. Das Anwachsen seiner Furcht erstickte sie im Keim. Furcht, die die Randbereiche seiner Gewißheit anfraß, untergrub den Festpunkt der Stille und Überzeugtheit, an dem er stand. Die Furcht, daß er sich doch irren könnte.
    Die Luft war feucht und schal wie angesammelter Schweiß. Während er in der Kühle vor sich hin zitterte, tappte er hinter Linden durch den Grund der Tiefe, beobachtete unterdessen, wie ihre Willenskraft sie immer mehr floh, bis sie sich zuletzt kaum noch vom Fleck bewegte.
    Endlich blieb sie ganz stehen. Ihr Kopf sank vornüber. Sie hielt die Fackel lasch an ihrer Seite, so daß sie ihr fast die Hand versengte. Covenant nannte wie ein leises Gebet ihren Namen, aber sie ging nicht auf ihn ein. Die Stimme sickerte ihr wie Blut über die Lippen.

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