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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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befestigte. Sein Anblick gab ihrem schlechten Gewissen erneut Nahrung. Harun meinte es gut, aber er beschämte sie auch.
    Der Schrecken über diesen kleinen Zwischenfall hatte sie vollends wach werden lassen. Sie richtete sich so weit im Sattel auf, wie es ihr schmerzender Rücken zuließ, streifte Harun mit einem letzten, tadelnden Blick und sah dann hinter sich in die Richtung, in der Nemeth und ihre Mutter ritten. Die beiden saßen so eng aneinander gepresst im Sattel des Kamels, dass sie wie ein einziger, sonderbar missgestalteter Reiter wirkten. Sailas Kopf war nach vorne und auf den ihrer Tochter gesunken, und im allerersten Moment befürchtete Robin schon, dass sie das Bewusstsein verloren haben oder gar tot sein könnte.
    Dann aber, als hätte sie ihren Blick gespürt, hob die Araberin langsam den Kopf und sah zu ihr herüber. Sie war viel zu weit entfernt, um ihr Gesicht zu erkennen, und darüber hinaus verschleiert, aber Robin spürte ihren Blick trotzdem. Es lag ein unausgesprochener Vorwurf darin, Schmerz und Verbitterung, aber auch eine Forderung, der sie sich nicht entziehen konnte. Sie schauderte, spürte plötzlich ein eisiges Frösteln und drehte den Kopf rasch wieder nach vorne.
    »Du kannst vielleicht wegsehen, aber vor der Verantwortung kannst du nicht davonlaufen«, sagte Harun.
    Manchmal war es Robin, als ob dieser riesige alte Mann ihre Gedanken las. Die Vorstellung war natürlich albern, aber sie war dennoch sicher, dass Harun al Dhin auf eine geheimnisvolle Weise stets irgendwie zu wissen schien, was sie dachte oder fühlte. Erstaunlicherweise erschreckte sie diese Erkenntnis nicht wirklich.
    »Ihr habt gelogen, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Gelogen?« Harun sah sie mit beinahe überzeugend gespielter Verwirrung an.
    »Als Ihr behauptet habt, dass wir heute Abend eine Oase erreichen«, sagte Robin.
    Harun hob die Schultern. Er wich ihrem Blick aus. »Was bedeutet schon Lüge? Ich könnte sagen, wir reiten mitten in einem Fluss, und es wäre die Wahrheit. Niemand kennt diese Wüste wirklich. Vielleicht liegt hinter der nächsten Biegung eine Wasserstelle, vielleicht sind es auch noch drei Tage bis zur nächsten Oase. Niemand weiß das.«
    Und Omar offensichtlich auch nicht, dachte Robin müde. Sie hatte längst aufgehört, sich über die Frage den Kopf zu zerbrechen, was der Sklavenhändler tatsächlich plante. Vielleicht nichts. Vielleicht hatte ihn auch die Angst vor Naidas »Schatten«, an die er angeblich nicht glaubte, in den Wahnsinn getrieben.
    Die Assassinen - falls es sie denn überhaupt gab - hätten jedenfalls schon Flügel haben müssen, um sie noch einzuholen. Seit sie Hama verlassen hatten, war die Karawane fast ununterbrochen in Bewegung gewesen. In der ersten Nacht hatte Omar ganz darauf verzichtet, ein Lager aufzuschlagen und sie ausruhen zu lassen, und auch in der zurückliegenden hatten sie nach Robins Schätzung allenfalls vier oder fünf Stunden Schlaf gefunden. Nach ihrem Gefühl waren es allerdings eher vier oder fünf Minuten gewesen, und sie erinnerte sich schaudernd an die Kälte, die sich mit Zähnen aus Eis in ihre Knochen gegraben hatte. So unerträglich hoch die Temperaturen tagsüber in der Wüste stiegen, so grausam kalt wurde es des Nachts. Nein, sie wusste nicht, was Omar vorhatte - aber wenn er plante, Mensch und Tier, die sich seiner Obhut anvertraut hatten, zu Tode zu hetzen, so war er auf dem besten Wege, diesen Plan in die Tat umzusetzen.
    Im letzten Moment spürte sie, dass ihre Gedanken schon wieder anfingen, auf eigenen Pfaden zu wandeln. Der nächste Schritt würde sein, dass sie einschlief und dann vielleicht tatsächlich vom Kamel fiel. Sie konnte nicht darauf bauen, dass Harun immer im passenden Moment da war, um sie zu retten. Mit einem Ruck richtete sie sich auf, riss die Augen auf und sagte: »Nehmt Euer Wasser zurück. Ich weiß Euer Angebot zu schätzen, aber…«
    Sie sprach nicht weiter, als sie begriff, dass niemand mehr da war, der ihr zuhören konnte. Harun ritt mittlerweile wieder gut zwei Kamellängen vor ihr, - dabei hatte sie noch nicht einmal bemerkt, dass er die Position gewechselt hatte. Doch als hätte er ihren Blick gespürt, drehte er sich wieder mit einer dieser fast unverschämt eleganten Bewegungen im Sattel herum und sah zu ihr zurück. Meinte er wirklich sie! Robin war sich nicht sicher. Genauso gut konnte sein Blick auch dem Ende der Karawane gelten oder irgendetwas, das dahinter lag.
    Erst bei diesem Gedanken wurde ihr

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