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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte sie eine Abmachung mit sich selbst getroffen: Sie orientierte sich an Harun, weil sie diesen riesigen, verwöhnten und verweichlichten Burschen instinktiv als das schwächste Glied in der Kette ansah. Robin hatte sich geschworen, nicht öfter als er nach ihrem Wasserschlauch zu greifen und auch nicht mehr zu trinken.
    Ein Schwur, den sie schon hundertfach bereut hatte. Aber den sie auch nicht brechen würde. Es sei denn, es würde noch heißer. Oder Omar käme noch einmal zu ihr und wiederholte sein Angebot. Oder sie könnte Harun endlich beweisen, dass er nur aus dem einzigen Grund nicht trank: um sie zu quälen, denn zweifellos wusste er von dem Eid, den Robin sich selbst gegenüber abgelegt hatte, und ertrug die Qualen des unerträglichen Durstes nur, um ihr selbst noch größere Qualen zu bereiten und sich an ihrem Leid zu laben. Oder…
    Schwielige Finger schlossen sich hart um ihr rechtes Handgelenk und rissen sie so derb in die Höhe, dass Robin vor Schmerz und Überraschung aufschrie. Ihr Herz hämmerte so heftig, dass es wehtat, und das leise Schwindelgefühl, das sie schon seit ihrem morgendlichen Aufbruch hatte, explodierte zu einer Woge von Übelkeit. Sie sank nach vorne und hätte sich übergeben, wäre in ihrem Magen noch irgendetwas gewesen, das sie hätte ausspucken können.
    »Robin!«
    Die Übelkeit verging. Der Schwindel und das Gefühl unerträglicher Hitze blieben, ebenso wie der schmerzhafte Druck auf ihr rechtes Handgelenk. So weit es die kräftig zupackende Hand zuließ, richtete sich Robin im Sattel auf, blinzelte die Tränen weg und blickte in eine zerfurchte Landschaft aus Falten und vom Sand grau gepuderter Haut, die sie erst nach weiteren drei oder vier Atemzügen als das Gesicht Harun al Dhins erkannte. Er sah zornig aus, dann begriff sie, dass es in Wahrheit Schrecken war, was sich auf seinen Zügen abmalte. Zugleich wurde ihr klar, warum er sie so unsanft am Handgelenk gepackt hielt: Sie war wieder einmal eingenickt, ohne es zu merken, und hätte er nicht im letzten Moment zugegriffen, dann wäre sie diesmal wirklich aus dem Sattel gefallen; ein Sturz von der Höhe des Kamelrückens herab auf den felsübersäten Boden wäre vermutlich nicht ohne Knochenbrüche oder Schlimmeres abgegangen.
    Dennoch wollte sich das Gefühl der Dankbarkeit, das sie jetzt empfinden sollte, nicht einstellen.
    »Lasst mich los«, lallte sie mit schwerer Zunge.
    »Erst, wenn ich sicher bin, dass du nicht gleich aus dem Sattel fällst«, sagte Harun in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
    Robin gab auf. Sie empfand immer noch einen absurden Trotz, aber sie war einfach zu müde, um selbst diesen kleinen Kampf auszufechten. Sie nickte.
    Harun maß sie noch einen Moment lang mit Blicken, in denen Misstrauen und Sorge einen ungleichen Kampf fochten, dann ließ er sie vorsichtig los. Er blieb jedoch weiter in angespannter Haltung schräg auf seinem Kamel sitzen, das unmittelbar neben dem Robins einhertrottete, jederzeit bereit, wieder zuzugreifen, falls die Schwäche sie erneut übermannen sollte.
    »Danke«, murmelte sie.
    Aus irgendeinem Grund schien dieses Wort Harun zu ärgern. Er schüttelte den Kopf, murmelte irgendetwas auf Arabisch, das Robin gar nicht erst verstehen wollte, dann zerrte er mit einer ungeduldigen Bewegung seinen eigenen Wasserschlauch vom Sattel und schlug ihn ihr mit solcher Wucht vor die Brust, dass sie japsend nach Luft rang.
    »Hier! Und jetzt trink, du dummes Weib!«
    Robin starrte den kaum noch zur Hälfte gefüllten Wasserschlauch verständnislos an. »Aber das ist… Euer Wasser«, murmelte sie.
    »Du sollst trinken, habe ich gesagt!« Harun brachte das Kunststück fertig, zu schreien, ohne die Stimme zu heben oder auch nur einen Deut lauter zu werden. Seine Augen flammten vor Zorn. »Ich habe mir deine Albernheiten jetzt lange genug angesehen. Willst du dich umbringen, du verstocktes Kind?«
    »Ich brauche kein Wasser«, beharrte Robin. Ihre Stimme war nur noch ein heiseres Krächzen, als wären auch ihre Stimmbänder ausgetrocknet und stünden kurz davor, einfach zu zerreißen, wie von der Sonne verbranntes Pergament. »Ich trinke nicht mehr als…«
    »Als ich?« Harun lachte. Es klang böse. »Du hast uns allen bewiesen, was für ein tapferes Mädchen du bist. Jetzt beweis mir, dass du nicht auch ein genauso dummes Mädchen bist.«
    Es dauerte einen Moment, bis Robin überhaupt begriff, was Harun gesagt hatte. Mühsam hob sie den Kopf und blinzelte in sein Gesicht,

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