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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem riesigen bizarren Käfer gleich, der über das Wasser rannte, statt darauf zu schwimmen. Sein Bug erschien wie ein bronzener Schnabel, bereit, sich in seine Beute zu graben. Hinter dem ersten Schiff tauchte ein zweites auf, aber der Angriff begann bereits, noch ehe der Nebel das zweite Boot vollends ausgespien hatte.
    Robin hörte einen bedrohlichen, vielstimmig sirrenden Laut, den ihr Verstand in der Panik, in der er gefangen war, nicht einordnen konnte. Instinktiv duckte sie sich hinter die niedrige Holzwand der Reling. Als die ersten Pfeile rings um sie herum einschlugen, wurde ihr klar, dass sie bereits ihren ersten, vielleicht bereits tödlichen Fehler begangen hatte, noch bevor die Schlacht begann: Ihr Schutz gegen Pfeile und andere anfliegende Geschosse, ihr Schild, hing, durch das dichte Gedränge unerreichbar, auf ihrem Rücken. Robin krümmte sich zusammen und wartete auf den Tod.
    Er kam nicht. Ringsumher schlugen Pfeile ein, prallten von Schilden und Helmen ab oder fanden ihre ersten Opfer. Eines der schlanken tödlichen Geschosse riss einen mehr als handlangen Splitter aus der Reling, unmittelbar vor ihrem Gesicht. Aber sie wurde nicht getroffen. Stattdessen griff eine starke Hand - Salim! - nach ihr, zerrte sie auf die Füße und zerrte sie in den Schutz seines eigenen Körpers. Weitere Pfeile regneten auf das Deck herab, scheinbar ziellos, aber bei der furchtbaren Enge auf dem Schiff war es beinahe unmöglich, einen der Ordensritter zu verfehlen.
    »Unter Deck!«, schrie Salim. »Verschwinde!«
    Er versetzte ihr einen Stoß, der sie gegen einen der Männer prallen ließ, und brachte irgendwie zugleich das Kunststück fertig, den Schild von ihrem Rücken zu lösen und ihren linken Arm in die ledernen Schlaufen zu schieben.
    Robin stolperte weiter, stieß gegen Männer und Schilde und endlich gegen die deckseitige Reling des Achterkastells. Noch immer prasselten Pfeile auf das Schiff herab. Nur die wenigsten richteten unter den schwer gepanzerten Männern wirklich Schaden an, aber einige eben doch. Ein schreiender Mann stürzte mit wild rudernden Armen und Beinen aus der Takelage ins Wasser und wurde vom Gewicht seiner Rüstung auf der Stelle in die Tiefe gezogen. Unmittelbar vor Robin fällte ein Pfeil einen ungeschützten Matrosen. Sie sah einen gewaltigen Schatten aus den Augenwinkeln, der auf das Schiff zuraste, als hätte das Meer selbst sich aufgetürmt, um die Sankt Christophorus zu verschlingen. Auf dem Schiff gellten Kampf-, aber auch Schmerzensschreie, und augenblicklich drohte alles im Chaos zu versinken.
    Als sie die Treppe zum Hauptdeck hinabgestiegen war, fand sich Robin hoffnungslos eingekeilt zwischen Dutzenden gepanzerten Gestalten, die ihrerseits versuchten, sich von der Stelle zu bewegen und ihre Waffen zu ziehen. Es stank nach Blut und Schweiß, und als sie verzweifelt weiterstolperte, trat sie zu ihrem Entsetzen auf einen reglosen Körper. Sie hatte Angst, nur noch Angst. Das war kein Abenteuer, keine spannende Episode, die das Einerlei ihrer selbstgewählten Gefangenschaft unterbrach. Sie brachte es nicht einmal mehr fertig zu schreien.
    Der Pfeilhagel hörte auf, aber das bedeutete keineswegs das Ende des Kampfes. Die Atempause währte nicht einmal eine Sekunde, dann erscholl ein beängstigendes Krachen. Das ganze Schiff erbebte wie unter einem Faustschlag, als die Galeere mit eingezogenen Rudern längsseits ging und die schweren Schiffsrümpfe aneinander schlugen.
    Noch vor wenigen Augenblicken hatte Robin geglaubt, nichts und niemanden in der Welt fürchten zu müssen; schließlich hatte Salim sie länger als ein Jahr in Reiten, Fechten und all den anderen Kampfkünsten ausgebildet, und sie war besser als so mancher Mann in der Lage, sich ihrer Haut zu wehren. Tatsächlich hatte sie bereits zwei Kämpfe miterlebt - die Belagerung der Komturei und den Hinterhalt, in den Horace und seine Begleiter geraten waren. Aber nichts davon war mit dem hier zu vergleichen.
    Es war kein ritterlicher Kampf, keine Schlacht, wie sie sie sich vorgestellt hätte. Die Angreifer ergossen sich gleich einer brüllenden Woge aus Fleisch und Stahl auf das Deck der Sankt Christophorus, kletterten über die Reling, schwangen an Seilen herüber oder ließen sich aus der Takelage fallen. Es gab keine Zweikämpfe, keine ritterlichen Duelle, stattdessen ein einziges wütendes Stechen und Hauen, in dem jeder gegen jeden zu kämpfen schien.
    Robin war viel zu weit von der Reling entfernt, um Einzelheiten

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