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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie es nie bis dort hinauf schaffen würde, - und selbst wenn, wäre sie nur eine weitere Belastung für Salim und die anderen gewesen. Ebenso wenig konnte sie zurück in die Kapitänskajüte, denn vor dem Abstieg war das Deck gedrängt voll mit Kämpfern. Verzweifelt sah sie sich nach einer Deckung um, einem möglichen Versteck, aber es gab keines.
    Und sie würde auch keines mehr brauchen, wenn sie noch länger hier herumstand. Sie stürmte los, jedoch weder zum Achterkastell noch auf die Tür zur Kapitänskajüte zu, sondern rannte auf die Galeere zu, dorthin, wo sich ihr Rammsporn in die Flanke der Sankt Christophorus gegraben hatte. Auch dort wurde gekämpft wie überall an Deck, aber wie durch ein Wunder Gottes griff sie kein weiterer Sarazene an, obwohl sie das Wappen der Tempelritter überdeutlich auf Schild, Brust und Rücken trug. Wurde sie verschont, weil sie ihr Schwert noch immer nicht gezogen hatte, oder hatte sie einfach nur Glück?
    Unbehelligt erreichte sie die Stelle, an der die Decksplanken geborsten waren, half mit einem gezielten Fußtritt nach, um die Lücke zu erweitern, und quetschte sich mit den Füßen voran hindurch. Zersplittertes Holz schrammte über ihre Hände und ihr Gesicht. Es zerriss ihr den Waffenrock und ohne das schwere Kettenhemd darunter hätte sie sich gewiss blutige Schrammen zugezogen. Endlich stürzte sie durch die schmale Lücke und schlug so schwer auf das darunter liegende Deck, dass sie einen Moment lang benommen liegen blieb.
    Als sie die Augen aufschlug, war sie keineswegs in Sicherheit, sondern nur von einem Gemetzel in das nächste geraten. Sie befand sich in einem der Laderäume, die für die Überfahrt kurzerhand in Mannschaftsquartiere umgewandelt worden waren, und auch hier unten wurde gekämpft. Nicht weit vor ihr verteidigten sich zwei Templer gegen vier oder fünf Sarazenen. Ihre zahlenmäßig unterlegenen Gegner hätten sie längst schon niedergerungen, wären die Ritter nicht durch ihre schweren Panzer vor den meisten Hieben und Stichen geschützt gewesen.
    Dennoch bestand am Ausgang des Kampfes nicht der geringste Zweifel, denn was die Ritter ihren Gegnern an Schutz voraus hatten, das machten diese mit Beweglichkeit und Schnelligkeit wieder wett. Über kurz oder lang musste einer der Schwerthiebe ihre Kettenhemden durchdringen. Robin wurde bewusst, dass ihr jetzt nichts anders mehr blieb, als ihren Ordensbrüdern zu Hilfe zu eilen. Ihre Hand senkte sich unwillkürlich auf das Schwert und aus den Augenwinkeln taxierte sie die Sarazenen. Sie versuchte einzuschätzen, welchen der Gegner sie am ehesten überwältigen konnte.
    Aber sie zog die Waffe nicht.
    Sie konnte nicht. Ihre zitternden Hände verweigerten ihr schlichtweg den Dienst.
    Nach einem schier ewig währenden Augenblick hilflosen Starrens wandte sie sich ab. Neben dem Rammsporn, der auf mehr als Armeslänge in den Frachtraum hineinragte, drang Wasser ein und überspülte die Leichen von ein paar Matrosen, die hier vergeblich Schutz gesucht hatten. Die braune Brühe stand bereits knöchelhoch und stieg beängstigend schnell an.
    Nach einem letzten, gequälten Blick auf die zwei Ritter, die noch immer verzweifelt um ihr Überleben kämpften, drehte sich Robin um und watete auf den hinteren Teil des Laderaumes zu. Jenseits der Trennwand gab es einen zweiten, nicht minder großen Raum, in dem die zwei Dutzend Pferde der Templer untergebracht waren. Vielleicht war er ja noch unversehrt und sie konnte sich dort irgendwo verstecken - falls das Schiff nicht bereits unterging und sie mit in die Tiefe reißen würde…
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hatte panische Angst, mehr, als sie sich je hätte vorstellen können. Es war nicht nur die nackte Todesfurcht, viel schlimmer noch wog das Entsetzen über ihre erbärmliche Feigheit, die es ihr unmöglich machte, in Bedrängnis geratenen Kameraden zu Hilfe zu eilen. In die Abscheu vor sich selber mischte sich Ekel über das barbarische Abschlachten, den Blutrausch, der ihre ganze Umgebung erfasst zu haben schien.
    Sie öffnete die Tür, stolperte hindurch und hatte im ersten Moment Mühe, überhaupt etwas in der hier herrschenden Dunkelheit zu erkennen. Nur durch ein paar Ritzen in der Decke sickerte Licht, das gerade ausreichte, sie einige Schemen und die Andeutung von Bewegung erkennen zu lassen. Es stank nach Pferdemist und nassem Stroh.
    Auf dem Deck über ihr tobte die Schlacht weiter. Der Kampflärm klang hier merkwürdig dumpf und dennoch

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