Der Ring des Sarazenen
zu erkennen, aber sie sah dennoch, dass die Sarazenen einen gewaltigen Blutzoll für ihren tollkühnen Angriff zahlten. Von der ersten Angriffswelle überlebte kaum einer. Die Männer wurden von den vorgereckten Schwertern der Tempelritter aufgespießt, über Bord gestoßen oder einfach niedergetrampelt, soweit sie überhaupt an Bord gelangten. Aber der ersten Angriffswelle folgte unmittelbar eine zweite; Dutzende von Männern in schwarzen und blauen Kaftanen, mit Turbanen, Krummsäbeln und lederbespannten runden Schilden, die brüllend über die Leichen ihrer gefallenen Kameraden kletterten und mit solcher Wucht heranstürmten, dass die Reihen der Tempelritter wankten und womöglich gebrochen wären - hätte es nur Platz für sie gegeben zurückzuweichen. Die Templer standen Schulter an Schulter. Selbst die Getroffen hatten nicht genug Platz, um umzufallen, sodass ihre leblosen Körper zwischen ihren Kameraden hin und her gestoßen wurden. Der Kampf hätte jetzt entschieden werden können, hätte es nur diese eine Sarazenengaleere gegeben.
Aber sie war nicht alleine.
Über das Wasser wehte dumpfes Krachen und weiteres Kampfgeschrei zu ihnen herüber, als das zweite Schiff die Sankt Gabriel auf die gleiche Weise attackierte, und plötzlich tauchte auf der anderen Seite ein dritter Schatten auf, der auf die Sankt Christophorus zuschoss. Robin keuchte vor Entsetzen, als sie sah, dass das Boot nicht versuchte, längsseits zu gehen - die Ruder tauchten ein letztes Mal ins Wasser, um die Galeere noch weiter zu beschleunigen, dann traf der bronzebeschlagene Bug die Flanke der Sankt Christophorus wie ein Axthieb.
Ein ungeheures Bersten und Splittern erscholl. Das Schiff neigte sich zur Seite und richtete sich bebend wieder auf, so als sei es ein lebendiges Wesen. Dieser Augenblick, den das Deck aus dem Gleichgewicht geriet, genügte, um die Phalanx der Verteidiger zu zerbrechen. Nahezu jedermann an Deck wurde von den Füßen gerissen. Mindestens ein Dutzend Männer in Rüstungen stürzte über Bord und verschwand mit gurgelnden Schreien in den dunklen Fluten.
Auch Robin wurde zu Boden geschleudert. Sie verlor den Helm, den sie bisher vollkommen nutzlos unter den linken Arm geklemmt hatte, bekam einen Fußtritt ins Gesicht, zwei, drei weitere in den Leib und in die Seite. Trotz des schützenden Kettenhemdes wurde ihr die Luft aus den Lungen getrieben und einen Moment lang kämpfte sie japsend darum, nicht ohnmächtig zu werden.
Als sie wieder auf die Füße kam, hatte sich das Deck endgültig in einen Hexenkessel verwandelt. Die Sankt Christophorus war nicht in zwei Teile zerbrochen, wie Robin es im ersten Moment befürchtet hatte, aber die beindicke Rah war vom Mast gestürzt und hatte etliche Verteidiger unter Segeltuch und Holzsplittern begraben. Auch vom Deck des neuen Angreifers stürmten jetzt Männer auf die Sankt Christophorus, um mit der gleichen verbissenen Wut wie ihre Kameraden anzugreifen.
Bevor sie überhaupt begriff, wie ihr geschah, jagte einer der Männer auf sie zu. Einen ganz flüchtigen Moment nur begegneten sich ihre Blicke. Der Mann hatte sich eindeutig sie als Gegner ausgesucht, das konnte sie in seinen hasserfüllten Augen lesen, als er das rote Tatzenkreuz auf ihrem Gewand erkannte.
Ihre Hand fuhr wie von selbst zum Schwertgriff. Doch noch bevor sie die Klinge ziehen konnte, tauchte eine riesenhafte Gestalt in einem blutbesudelten weißen Wappenrock hinter dem angreifenden Sarazenen auf und streckte ihn mit einem einzigen Schwerthieb nieder.
»Verschwinde, Junge!«, keuchte ihr Ordensbruder. »Geh runter…« Er brach mitten im Satz ab. Seine Augen wurden groß, und plötzlich quoll dunkelrotes zähes Blut über seine Lippen. Er ließ das Schwert fallen, brach in die Knie und stürzte auf die Seite. Aus seinem Rücken ragten drei Pfeile.
Einen Herzschlag lang starrte Robin den Toten entsetzt an, dann fuhr sie herum und blickte zum heftig umkämpften Achterkastell hinauf. Sie sah Abbé und zu ihrer nicht geringen Überraschung Dariusz Rücken an Rücken dastehen und sich einer immer größer werdenden Übermacht erwehren. Irgendwo zwischen den schwarz, braun oder erdfarben gekleideten Angreifern glaubte sie auch Salim zu erkennen, dessen Krummsäbel mindestens ebenso erbarmungslos unter seinen Glaubensbrüdern wütete wie die Breitschwerter der Tempelritter. Am liebsten wäre sie jetzt dort oben gewesen, trotz des blanken Entsetzens, mit dem sie der Anblick erfüllte, aber sie wusste, dass
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