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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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sofort herum.
    Aus Stroms Richtung wehte ein Gedanke herüber. Sand!
    Gleichzeitig feuerte Quant einen Stein ab, der jedoch unbeachtet vom Schädel des Bären abprallte. Schon raste er wieder auf mich zu.
    Ich schleuderte ihm eine Handvoll Sand ins Gesicht und rollte mich nach rechts ab. Noch während ich ihn niesen hörte, streifte mich eine Pranke an der Brust. Mir blieb die Luft weg, als hätte mich ein Hammer getroffen.
    Strom schwang den Stock in sein Gesicht. »Klettert auf einen Baum!«
    Ein Tatzenhieb zersplitterte den Ast der Länge nach, ein Regen trockenen Laubs rieselte dem Bären aufs Fell. Trotzdem gab Strom nicht nach, während wir anderen in den Wald flohen.
    Ich hastete den nächstbesten Baum hinauf, nur knapp hinter Manuel. Oben angekommen reichten wir Quant und Meda die Hände und zogen sie in die Krone hinauf, wo wir Stroms Tanz mit der Bestie im Auge behalten konnten.
    Wieder richtete sich der Bär auf. Im Stehen überragte er unseren Beschützer um einen guten Meter.
    Mit einem Schrei rollte sich Strom zur Seite ab. »Hey! Hey!«
    Der Bär folgte ihm mit ungeschickten Trippelschritten, holte aus und riss ihm die Überreste des Asts aus der Hand.
    Strom fuhr herum und sprintete Richtung See.
    Bären können schwimmen!, sandte ich.
    Ja, meinte Quant, aber im Wasser sind sie langsamer als an Land.
    Ein paar Meter vor seinem Verfolger stieß sich Strom ab und hechtete in den See. Eine Sekunde später krachte der Bär in vollem Lauf hinterher, doch Stroms kraulende Arme zogen bereits eine tiefe Furche durch die stille Wasseroberfläche. Trotz seiner schweren Kleidung setzte er sich rasch ab.
    Aufjaulend begriff der Bär, dass ihm seine Beute entkommen war. Frustriert paddelte er zurück an Land, genau beobachtet von Strom, der sich nur noch treiben ließ.
    Unmittelbar vor uns schwamm der Bär ans Ufer, watschelte auf den Kies, schüttelte sich, reckte die Schnauze in die Luft – und starrte uns an.
    Wenn er will, kann er den Baum umstoßen, meinte Quant.
    Aber er wollte nicht; er trottete an uns vorbei und verschwand zwischen den Bäumen.
    Als er außer Sichtweite war, schwamm Strom an Land und hievte sich auf einen flachen Fels. Sofort ließen wir uns auf den Boden fallen und rannten zu ihm, ohne den Waldrand aus den Augen zu lassen. Seinen Rucksack hatte er noch kurz vorm Wasser abstreifen können, aber seine Schuhe trieben irgendwo im See. Wir wrangen seine dicken Socken aus und legten sie zum Trocknen auf die Steine.
    Das war keiner von unseren Bären, sandte ich.
    Wo du Recht hast, hast du Recht.
    Bis auf ein paar kleinere Schrammen waren wir unverletzt. Wir nähten noch ein Paar Mokassins für Strom aus unserer Ersatzkleidung und brachen so schnell wie möglich auf. Diesem Bären wollten wir kein zweites Mal begegnen.
     
    Mit der Steinschleuder, die wir in Old Denver besorgt hatten, jagte Quant ab und zu Gänse. Noch lieber waren uns Fische, die wir bei jeder Gelegenheit fingen, ob mit handgeschnitzten Speeren oder Angelhaken. Eigentlich könnte man unsere Wochen in der Wildnis fast als idyllisch bezeichnen – zum ersten Mal waren wir dem rigorosen Wettbewerbsdenken entkommen, das unsere ganze Ausbildung bestimmt hatte. Selbst Strom, der so wild entschlossen war, dass er seinen Bären sogar in unseren Träumen nachjagte, entspannte sich allmählich.
    Hier in der Natur konnten wir unsere Sorgen vergessen: dass wir im Dschungel fast im Auftrag des OG getötet worden wären; dass wir ohne Erlaubnis von Columbus Station geflohen waren; dass uns beinahe eine Droge auseinandergerissen und ein Bär zerfleischt hätte.
    Nur der Ring, der als schmaler, silberner Streifen in einer Höhe von zehntausend Kilometern über uns schwebte, lastete noch auf uns. Nirgendwo waren wir sicher vor ihm, ob auf der Erde oder im All, bei Tag oder Nacht. Immer war er bei uns und hielt die Erinnerung an Malcolm Leto wach.
    Um unseren Speiseplan aufzubessern, naschten wir haufenweise Beeren. Samenkörner sprenkelten unsere Ausscheidungen, vor allem die Samen der wilden Brombeeren, die an jedem Pfad wucherten. Manchmal fanden wir auch Himbeeren, und Manuel war ganz versessen auf die kleinen Walderdbeeren, die mir viel zu hart und bitter waren. Außerdem aßen wir Eicheln, in einer Schale zerdrückt und auf einem heißen Stein gebacken, den wir zuvor im Feuer erwärmt hatten. Gekochte Rohrkolbenwurzeln ergaben einen geschmacklosen Brei, den man mit ein paar Löwenzahnblättern und Morcheln zu einer annehmbaren Suppe

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