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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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von einer Droschke überfahren oder von Halsabschneidern überfallen werden können. Aber dies waren keine normalen Zeiten, lauerte doch irgendwo der Mörder aus Whitechapel mit seinem Messer.
    Während die meisten Bewohner Londons nur das wussten, was in der Zeitung stand, war ich dank meines Onkels William, der im Polizeirevier in der Leman Street arbeitete, ziemlich eingehend über die schrecklichen Einzelheiten der Untaten des Rippers informiert. Nicht nur, dass Onkel William zwei der Opfer mit eigenen Augen gesehen hatte, es bereitete ihm auch außerordentliches Vergnügen, mir alles auf grausige Weise zu beschreiben. Oh, seine Augen blitzten dann geradezu vor diebischer Freude! Ich habe keinen Zweifel, dass er mit Vergnügen sah, wie sehr ich jedes Mal erbleichte. Dennoch wollte ich stets mehr davon hören.

    Als ich an diesem Abend auf Mutter wartete, wünschte ich mir, ich hätte nie etwas von dem Ripper gehört.
    Ich sagte mir, dass es gar keinen Anlass zu der Befürchtung gab, er könnte sie niederstrecken. Schließlich lag die Wohnung der einbeinigen Liz genauso weit vom East End entfernt wie die unsere. Der Ripper würde sich weit von seinen bisherigen Jagdgründen entfernen müssen, um in unsere Gegend zu kommen. Außerdem war es noch viel zu früh am Abend für ihn. Und er brachte nur Huren um.
    Mutter hätte auf jeden Fall vor ihm sicher sein müssen.
    Trotzdem sorgte ich mich, bis mir der Schädel brummte. Schließlich legte ich das Buch beiseite und ging voller Unruhe auf und ab. Das hatte ich dann auch einige Zeit lang gemacht, als die Haustür zuschlug. Dem folgten schwere, unsichere Schritte auf der Treppe nach oben. Mutters Schritt war gewöhnlich leicht und anmutig. Neugierig eilte ich hinaus und sah nach unten.
    Dort war Mutter, und sie zerrte den schweren Rolfe Barnes hinter sich her.
    »Mum!«
    »Hilf uns.«
    Ich eilte hinunter und stützte die andere Seite des Taugenichts. Er war durchnässt bis auf die Haut und stank nach Rum. Obwohl er kaum dazu in der Lage war, die Beine zu bewegen, während wir ihn die Treppe hinaufstemmten, murmelte er ununterbrochen vor sich hin.
    »Wir geben ihm doch wohl nicht Obdach, oder?«
    »Und ob wir das tun! Mäßige deinen Tonfall, junger Mann. Er hätte auf der Straße umkommen können.«

    Welch ein Verlust für die Welt, dachte ich, behielt es aber für mich. Barnes hatte die Angewohnheit, sich nach ein paar Gläsern in einen brutalen, äußerst reizbaren und unflätigen Rüpel zu verwandeln. Er hatte jedoch im zweiten afghanischen Krieg an der Seite meines Vaters gekämpft, und ihm zufolge waren sie bis zum bitteren Ende die besten Kameraden gewesen. Ich hatte ihn immer für einen Lügner gehalten, aber Mutter traute dem Mann nichts Schlechtes zu. Sie hatte ihn von Anfang an wie ein Familienmitglied behandelt.
    Nicht, dass sie sich in ihn verliebt hätte. Wenigstens war sie (soweit mir bekannt war) klug genug gewesen, seine amourösen Annäherungsversuche zurückzuweisen. Doch obwohl sie vor einigen Jahren seinen Heiratsantrag höflich abgelehnt hatte, stand ihm unsere Tür immer offen.
    Und heute Abend riss sie ihn nachgerade hindurch.
    »Wo hast du ihn gefunden?«, fragte ich, während wir uns die Stufen emporkämpften.
    »Zusammengebrochen vor dem Boar’s Head.«
    »Ah«, meinte ich. Der Pub war direkt an der Straßenecke. »Vermutlich hat er dort auf der Lauer gelegen und sich zusammenbrechen lassen, als er dich vorbeigehen sah.«
    »Trevor!«
    Barnes murmelte und fluchte die ganze Zeit. Mutter reagierte darauf mit beschwichtigenden Worten wie »Sie armer Kerl« und »Sie sind sicher ganz durchnässt« und »Sie werden sich den Tod holen«.
    Aber zunächst holten wir ihn aus seinem Rock und setzten ihn aufs Sofa. Mir fiel die Aufgabe zu, ihm die nassen Stiefel auszuziehen, während Mutter ihren Mantel ablegte und eilig Tee machte.

    Ich schätze, es war ein Fehler von ihr, mich mit ihm allein zu lassen.
    Mein Fehler war es, den Mund aufzumachen.
    Eigentlich brummelte ich nur vor mich hin und rechnete nicht damit, dass ein Kerl in seinem Zustand mich hören, geschweige denn verstehen würde.
    Ich sagte: »Verdammter Schuft.«
    Die Worte waren noch nicht ganz über meine Lippen gekommen, da krachte seine Faust auch schon auf meine Nase und schickte mich rücklings zu Boden. In den nächsten Augenblicken erwies sich Barnes als ziemlich lebendig für einen derart betrunkenen Burschen. Er sprang mich an und schlug mich beinahe besinnungslos, bevor Mutter

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