Mord ist auch eine Lösung
|5| Kapitel 1
Der Empfangsbereich im Green River Hotel wurde gerade vollkommen neu gestaltet, und Honey Driver war so aufgeregt wie ein Kind kurz vor der Bescherung an Heiligabend. »Jetzt habe ich es drei Jahre in Draculas Salon ausgehalten. Es wird höchste Zeit, dass ein bisschen Licht hier reinkommt.«
Sie hatte sich für einen Louis-Quatorze-Look entschieden: alles in Kobaltblau und Cremeweiß mit funkelnden Kronleuchtern und kunstvoll verzierten, auf Französisch getrimmten Spiegeln.
Der rote Teppich war verschwunden, sämtliche Holzelemente waren abgeschmirgelt, und Philippe Fabiere, ein dunkelhäutiger Typ mit wasserstoffblondem Haar aus dem Londoner East End, hatte bereits die nötigen Lacke, Tapeten und Möbel bestellt.
Philippe Fabiere, erste Sahne unter Baths Innenarchitekten, war bei Hoteliers ungeheuer gefragt, die ihre Häuser aufrüsten wollten und damit ihr Geschäft aufzuwerten hofften. Er war außerordentlich extravagant, tyrannisch und irgendwie natürlich auch ein Blender. Sein Pseudonym hatte er so gewählt, dass es sehr
à la française
wirkte. Zu allem Überfluss hatte er sich auch noch einen dazu passenden Akzent antrainiert. Das war eigentlich verständlich, denn man hatte ihn auf den Namen George Theodore Washington getauft, der nun gar nicht passte, wenn man ein megaehrgeiziger Innenarchitekt war und blondgefärbtes Haar, kastanienbraune Haut und einen künstlerisch angehauchten – genauer gesagt: papageienbunten – Kleidungsstil hatte. Er hatte Honey einmal anvertraut, sein Vater sei begeisterter |6| Hobby-Historiker und interessierte sich besonders für amerikanische Geschichte. Da sein Nachname tatsächlich Washington war, hatte er bei der Geburt seines Sohnes der Versuchung einfach nicht widerstehen können.
Abgesehen davon war George – beziehungsweise Philippe, wie er lieber genannt wurde – inzwischen der angesagteste Innenarchitekt, um den sich alle kultivierteren Hoteliers von Bath rissen. Honey musste ihn einfach engagieren. Wenn alles nach Plan lief, würden die Arbeiten innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen sein.
Zufrieden strahlend ließ Honey die Augen über die nackten Wände, die abgeschliffenen Fußbodendielen und die abgeschmirgelten Sockelleisten schweifen. Im Augenblick sah es allerdings noch eher nach der Höhle von Fred Feuerstein aus als nach dem Versailles Ludwig des Vierzehnten. Deprimierend eigentlich. Zum Glück besaß sie eine lebhafte Phantasie.
»Wartet mal ab, bis das alles hier fertig ist«, seufzte sie.
Ein Maler in einem schmuddeligen Overall, der mit Tausenden verschiedener Farbspritzer verziert war, hebelte gerade mit einem Spachtel eine Farbbüchse auf. Der Deckel löste sich mit einem vertrauenerweckenden »Plop«. Nun, es klang nicht gerade wie ein Champagnerkorken, aber doch irgendwie nach einer Feier. Die erste Farbrolle mit Kobaltblau wurde auf die Wand aufgetragen, und schon wehte das Aroma frischer Farbe durch den Raum. Stillschweigend gratulierte Honey sich, dass sie so vernünftig gewesen war, keine Zimmerreservierungen anzunehmen. Gäste mochten einfach keine Unordnung, auch wenn sich damit auf lange Sicht ihr Komfort erhöhen würde. Es hätte nur Beschwerden gehagelt. Also hatte sie Philippe zwei Wochen Zeit für die Renovierungsarbeiten gegeben und erst einmal alle Gästebuchungen abgelehnt.
Sie brachte ihre Zufriedenheit laut zum Ausdruck. »Bin ich froh, dass wir keine Gäste haben.«
Lindsey knurrte irgendetwas Unverständliches. Im Augenblick |7| schaute nur das hintere Ende von Honeys Tochter unter dem Empfangstresen, einem großen, eingebauten Möbel mit vielen Fächern, Schubladen und Regalbrettern, hervor. Lindsey versuchte gerade, verschiedene Computerkabel zu entwirren, die sich zu einem großen, unordentlichen Knäuel verheddert hatten. Denn auch der Empfangstresen sollte eleganter gestaltet werden, um besser zu Philippes künstlerischen Vorstellungen zu passen.
»Dieser Kobaltton ist wirklich genau die richtige Farbe«, fügte Honey verträumt hinzu und verschränkte zufrieden die Arme, während eine nackte Gipswand allmählich dunkelblau wurde.
Völlig verstaubt kam Lindsey auf Knien hinter dem Tresen hervorgekrabbelt. Sie rümpfte das Näschen. »Stinkt ein bisschen.«
Honey nahm eine gute Lunge voll von der nach frischer Farbe riechenden Luft. »Es ist so ein sauberer Geruch. Ein neuer Geruch.«
Der gleiche rote Teppich, mit dem der Empfangsbereich ausgelegt gewesen war, hatte auch die geschwungene Treppe
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