Der Ritter von Rosecliff
hatte. Es war ein herrlicher Tag, und Rhonwen hatte sich eine Taufe unter freiem Himmel gewünscht. War die Natur nicht Gottes größte Kirche?
Rhonwen hielt das Baby in ihren Armen, und Jasper hatte einen Arm um Mutter und Kind gelegt. Sie schaute auf ihren kostbaren Sohn hinab, dessen dunkle Augen weit geöffnet waren, und dann schaute sie dem stolzen Vater tief in die grauen Augen, die sie vom ersten Moment an so fasziniert hatten. Obwohl der Hof voller Menschen aus Rosecliffe Castle und den umliegenden Ortschaften war, die sich auf die Zeremonie und noch mehr auf das anschließende Festessen freuten, gab es für Rhonwen nur Jasper und ihren süßen kleinen Guy.
»Ich liebe dich«, flüsterte Jasper ihr lächelnd zu.
Sie nickte, von plötzlicher Rührung überwältigt. »Ich liebe dich auch. Und ich liebe dieses wunderbare Kind, das du mir geschenkt hast.« '
»Das du mir geschenkt hast«, korrigierte er.
Impulsiv reichte sie ihm das Kind, und als er seinen Sohn bereitwillig in die Arme nahm, traten ihr Tränen in die Augen. Sie hätte früher nie für möglich gehalten, dass der bloße Anblick eines Kindes in den Armen seines Vaters einen Menschen so selig machen konnte.
Der Priester begann mit der Zeremonie. Guy ertrug tapfer das Öl auf seiner Stirn, und er lächelte sogar, als Vater Christopher Weihwasser über sein Köpfchen goss. »Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«, sagte der Priester feierlich.
Dann begannen die Glocken wieder zu läuten, Guy erschrak und verzog das winzige Gesicht. Beim ersten wütenden Schrei warf Jasper seiner Frau einen besorgten Blick zu.
»Halt ihn einfach noch etwas fester und tröste ihn«, riet sie ihm.
Doch als er das tat begann das Baby an seiner Brust gierig zu schmatzen und nach der üblichen Nahrungsquelle zu suchen. Jasper hob die Brauen, der Priester hüstelte, Rand und Josselyn lachten.
»Er braucht jetzt deine Art von Trost«, sagte Jasper zu Rhonwen und grinste frech, während er leise hinzufügte: »Ich könnte etwas Trost auch gut gebrauchen.«
Rhonwen nahm ihm das Kind ab und lächelte schelmisch. »Trost? Hmmm ... ja, ich glaube, das könnte ich schaffen ... «
Ein heißes Feuer begann in Jaspers Augen zu
lodern, und auch ihr Blut geriet in Wallung. Sie hatten sich fast drei Monate zur Enthaltsamkeit gezwungen, doch in dieser Nacht würde die Qual ein Ende haben.
»Ich liebe dich«, flüsterte er, und die Glocken von Rosecliffe schienen diese Botschaft im ganzen Land zu verkünden. Jasper liebte sie. Sie liebte ihn.
War jemals irgendeine Frau so reich gesegnet gewesen?
Bernard Castle, Northumbria, Juni 1146
Die Glocken der Abtei St. Joseph läuteten, eine knappe Meile von Bernard Castle entfernt. Alle drei Stunden hängten die Mönche sich an die Glockenschnüre und riefen die Menschen zum Gebet. Erste Stunde, dritte Stunde, sechste Stunde, neunte Stunde. Diese Glocken teilten den Tag in überschaubare Abschnitte auf, sagten allen, wann sie mit der Arbeit beginnen mussten und wann endlich Feierabend war.
Auch Rhys' eintöniger Lebensrhythmus wurde von den Glocken bestimmt. Zwei Jahre und einen Monat weilte er nun schon in Bernard Castle, unter der Vormundschaft von Mönch Guillame. Ihm kam das wie eine Ewigkeit vor, und doch hatte er manchmal das Gefühl, als wäre er erst vergangene Woche aus seiner Heimat verbannt worden.
Das Geläut zur Sechsten Stunde endete, und sofort legten die drei Burschen, die neben Rhys gearbeitet hatten, die Pferdebürsten weg. Jetzt mussten sie sich waschen, um später den guten Mönch und die übrigen Burgbewohner bedienen zu können. Edward, ein magerer Vierzehnjähriger, hetzte als Erster davon. Er hatte sich in Lady Bernards törichtes Töchterchen verliebt und legte deshalb besonders großen Wert auf sein Äußeres. Philip and Kevin, zwölf und neun Jahre alt lachten schallend über Edwards Eile.
Doch Rhys runzelte die Stirn. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass eine Frau einen Mann um den Verstand bringen konnte. Eine Frau konnte einen klugen Mann in einen Narren verwandeln, einen harten Mann in einen Schwächling. Hatte Rhonwen ihm das nicht angetan?
Er knirschte mit den Zähnen, als er sich daran erinnerte, wie sehr er sie geliebt hatte - und was er durch ihre Schuld verloren hatte. Gewiss, Barnard Castle war kein Gefängnis. Rhys arbeitete Seite an Seite mit den anderen Knappen, obwohl er eigentlich schon das Alter erreicht hatte, um zum Ritter geschlagen zu
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