Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
meinte der Hauptmann. »Dann warte ich, bis ich an der Reihe bin.«
Der Wyrm lächelte. »Ich kann auch mit euch allen gleichzeitig reden«, erklärte er. »Nicht ich, sondern du forderst eine Struktur.« Er zog an seiner Pfeife.
Der Hauptmann nickte.
Natürlich bedeutet ihnen Zeit gar nichts, sagte Harmodius.
»Seid ihr beiden zusammen?«, fragte der Wyrm.
»Nein, ich bin allein«, antwortete der Hauptmann. »Ich kann nicht für Harmodius sprechen.«
Der Wyrm lächelte erneut. »Es ist sehr weise von dir, das zu sagen. Du weißt, dass er irgendwann die Herrschaft über dich beanspruchen wird, wenn du dich seiner nicht entledigst. Er kann nicht anders handeln. Diese Erkenntnis schenke ich dir, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.«
Der Hauptmann nickte. Ein Becher mit Würzwein erschien neben seinem Ellbogen. Er nahm ihn und trank dankbar.
»Warum seid ihr gekommen?«, fragte der Wyrm. »Zumindest du musst doch gewusst haben, was ich bin und … war.«
Der Hauptmann nickte. »Ich hatte es vermutet.« Er sah sich um. »Gibt es Regeln? Habe ich drei Fragen? Oder fünfzig?«
Der Wyrm zuckte mit den Achseln. »Ich will keine Besucher. Ich versuche auch nie, in die Zukunft zu schauen. Das überlasse ich meinen ach so geschäftigen Anverwandten. Sie planen und streiten und streben. Ich aber lebe. Ich suche nach der Wahrheit.« Er lächelte. »Manchmal fühle ich mich einsam, und dann kommt ein glücklicher Reisender herein und bringt mir Abwechslung.« Sein Lächeln wurde zu einem düsteren Grinsen.
Der Hauptmann nahm noch einen Schluck Wein. »Was ist mit den Lachlans?«
Der Wyrm zog an seiner Pfeife, und Rauch wölkte zur Decke und geriet in den Zug des tosenden Feuers. »Das ist deine Frage?«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Nein, aber sie sind mir verschworen, und ich muss wissen, ob sie gut behandelt werden.«
Der Wyrm lächelte. »Diese Art von Eidgenossenschaft ist so natürlich für die Menschen – ich aber habe meine Schwierigkeiten damit. Und doch werde ich gerecht mit Tom und Ranald umgehen. Stell jetzt deine eigene Frage.«
Der Hauptmann wirbelte den Wein im Becher herum und schluckte eine Frage nach Amicia herunter. »Kann der Konflikt zwischen den Menschen und der Wildnis gelöst werden?«
»Ist das jetzt deine Frage?«, wollte der Wyrm wissen.
»Ja«, sagte der Hauptmann.
Die sitzende Gestalt rauchte. »Wie erfreulich.« Der Wyrm erhob sich, ging zu einem Schrank, nahm einen Steinkrug heraus und öffnete ihn. Er holte eine Handvoll alter Blätter hervor und stopfte sie in seinen Pfeifenkopf. »Glaubst du an den freien Willen, Prinz?«
Dem Hauptmann wurde allmählich heiß. Er stand auf, zog seinen Wappenrock aus, hängte ihn am Ofen zum Trocknen auf und murmelte: »Ich bitte um Verzeihung.« Dann setzte er sich wieder. »Ja«, sagte er schließlich.
»Warum?«, fragte der Wyrm.
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern. »Wenn ich keinen freien Willen habe, dann hat doch nichts mehr einen Sinn.«
Der Wyrm nickte langsam und bedächtig. »Was wäre, wenn ich dir sage, dass du nur bei gewissen Dingen einen freien Willen hättest, bei anderen aber nicht?«
Der Hauptmann bemerkte, dass er auf einem seiner Reithandschuhe herumkaute. Er hörte damit auf. »Ich würde sagen, dass meine Macht, das Universum zu beeinflussen, gleich groß ist, ob ich nun bei jeder Handlung oder nur bei einer einzigen meinen freien Willen ausüben kann.«
»Interessant«, sagte der Wyrm. »Menschheit und Wildnis sind nichts anderes als Konzepte. Philosophische Konstrukte. Wenn sie erschaffen worden wären, um Gegensätze zu repräsentieren oder zu symbolisieren, wie könnten sie dann je miteinander versöhnt werden? Kann im Alphabet das Alpha mit dem Omega den Platz tauschen?«
»Als Nächstes wirst du mir noch sagen, dass es gar keine Wildnis gibt. Und dass es keine Menschen gibt.« Der Hauptmann lächelte.
Der Wyrm lachte lauthals. »Offensichtlich hast du diese Lektion schon früher einmal erhalten.«
»Im Osten habe ich zu den Füßen einiger Philosophen gesessen«, sagte der Hauptmann. »Ich hatte keine Ahnung, dass es sich um Drachen handelte, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke …«
Der Wyrm lachte noch einmal. »Du gefällst mir. Also werde ich deine Frage beantworten. Die Menschen und die Wildnis sind wie zwei Seiten einer Münze und können miteinander leben, so wie die Münze wohlig in der Börse lebt.«
»Getrennt?«, fragte der Hauptmann.
Der Wyrm zuckte die Achseln. »Nichts an
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