Orla Froschfresser
Die Lümmel
Es ist nicht immer schön, klein zu sein.
Natürlich ist es oft lustig.
Ja, sogar sehr lustig.
Es ist lustig im Sommer, wenn man so lange barfuß herumlaufen kann, bis es dunkel wird und der Tau das Gras schön feucht macht.
Es ist lustig, wenn man sich in einem Baum eine gute Hütte gebaut hat, in der man an Regentagen sitzen kann.
Es ist auch lustig, wenn die vier Schweine des Bäckers aus ihrem Koben ausbrechen und die Frauen quietschen und kreischen.
Noch lustiger ist das natürlich, wenn man die Schweine selbst herausgelassen hat.
Und lustig ist es auch im Winter, wenn man den Hügel bei der Kirche in einem alten Faß herunterrutscht, bis man im Gemüsegarten des Schlachters landet. Die Frau des Schlachters gerät nämlich ganz aus dem Häuschen, sooft jemand in ihren Garten rodelt.
Manchmal kommt es sogar so weit, daß sie einem mit dem Besen nachläuft — aber da muß man schon sehr frech gewesen sein.
Ja, manchmal ist es lustig, klein zu sein.
Aber es gibt auch Zeiten, da ist es gar nicht besonders lustig — und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Es gibt in unserem Dorf nämlich viele dumme Kerle und ganz große Lümmel, die ordentliche Kinder wie mich und Jakob und ein paar andere nette Jungen nicht in Ruhe lassen können.
Wenn man unser Dorf auf einem Bild oder einer Fotografie betrachtet, sieht es recht hübsch aus.
Und eigentlich ist es das auch.
Wir haben Blumen und Hühner und Straßenlaternen und frisch getünchte Häuser.
Der einzige Fehler an den Abbildungen ist, daß man darauf diese Lümmel nicht sieht.
Die Lümmel aus unserem Dorf verstecken sich nämlich immer hinter Häusern und Bäumen und Zäunen, sobald jemand sich anschickt, die Ortschaft und den neuen Gehsteig zu fotografieren. Im Kaufladen unten an der Ecke gibt es eine ganze Menge solcher Postkarten von unserem Dorf.
Manche davon sind sogar bunt.
Aber die Lümmel sind auf keinem dieser Bilder zu entdecken.
Die haben sich nämlich vorher jedesmal hinter irgend etwas versteckt, denn sie haben große Angst, gesehen zu werden.
Orla Froschfresser
Der größte Lümmel, den es hier gibt, heißt Orla.
Manche nennen ihn Orla den Froschfresser.
Es heißt, daß er einmal einen lebendigen Frosch verspeist haben soll.
Aber das ist sicher Schwindel, denn es gibt wohl keinen Menschen, der es fertigbringt, einen lebendigen Frosch zu essen.
Jedenfalls einen ganzen wohl kaum.
Orla ist lang und dünn und hat ein käsiges Gesicht.
Vielleicht, weil er diesen Frosch gegessen hat.
Aber manche Leute sagen, er ist so blaß, weil er Zigaretten raucht.
Das wird wohl auch stimmen, denn immer, wenn man ihn trifft, pafft er Rauch in die Luft.
Das Schlimmste an ihm ist aber gar nicht sein mageres, blasses Gesicht.
Nein. Das Schlimmste an ihm sind seine kleinen, gelben Augen und seine langen, dünnen Finger.
Mit diesen Fingern reißt er uns ganze Haarbüschel aus.
Er zieht uns auch an den Ohren und sticht uns in die Augen. Und einmal hat er Jakob einen Vorderzahn ausgeschlagen. Aber das war eigentlich nicht so schlimm, denn der Zahn hatte schon gewackelt, und Jakob hat jetzt einen neuen, großen Zahn bekommen, der viel toller aussieht.
Keiner von den kleinen Jungen aus dem Dorf wagt sich in Orlas Nähe. Nicht einmal ich und Jakob und Tune oder sonst einer aus der zweiten Klasse.
Wir haben alle eine Riesenangst vor Orla dem Froschfresser.
Bis vor einiger Zeit hatten Orla der Froschfresser und ich glücklicherweise keine nähere Bekanntschaft gemacht. Er hatte mir erst zweimal ein paar Haare ausgerupft.
Aber eines Tages bin ich ihm dann doch in die Quere gekommen.
So richtig — und allen Ernstes.
Ich hockte hinter der Schmiede und pflückte Löwenzahn für meine Kaninchen, und ich bemerkte ihn erst, als er dicht hinter mir stand und sagte:
«Was bist denn du für ein Miststück!»
Ich habe vor Schreck einen mindestens drei Meter hohen Luftsprung gemacht. Und während ich noch ein wenig auf und ab hüpfte, überlegte ich mir, wie ich ihm wohl entkommen könnte.
Wenn er mich erwischt, reißt er mir sämtliche Haare aus, dachte ich. Und vielleicht reißt er mir auch noch die Ohren ab und schlägt mir die Zähne ein.
Das waren so meine Gedanken, während ich wie ein Känguruh auf und ab hüpfte. Ich konnte regelrecht hören, wie er hinter mir grinste, und ich konnte fast spüren, wie er mir gleich ein Ohr abreißen würde.
Beinahe hätte ich vor Schreck meine Hose
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