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Der rote Norden - Roman

Der rote Norden - Roman

Titel: Der rote Norden - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franzisika Haeny
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herum, überquere das grosse gerodete Gelände (womöglich schaut er mir jetzt durch das Fenster zu) und bin schliesslich im Kiefernwald, von dem ich weiss, dass ein dichter Zaun ihn einschliesst, abschliesst vom grossen Wald, der sich weiter und weiter erstreckt.
    Es ist schön, im Wald zu sein, das heisst, es wäre schön, die weichen Nadeln unter den Sohlen zu spüren und den Duft der Tannen einzuatmen. Aber ich kenne jetzt das Entsetzen dieser Tiere in den Metallkäfigen. Und ich weiss, dass ich die anderen Tiere finden muss, die x geschossen hat. Wer sagt überhaupt, dass sie tot sind? Er hat auf sie geschossen. Auf dem Bildschirm sind sie zusammengebrochen. Aber das bedeutet ja nicht, dass sie tot sind. Was mache ich, wenn das Tier, das ich finde, noch lebt? Ich habe ja nicht einmal die Möglichkeit, es zu erschiessen, ich meine, ich habe keine Waffe dabei. Ich habe in meinem ganzen Leben nie geschossen. Wie käme ich dazu?
    Ich gehe Schritt für Schritt durch den Wald. Ich sehe mich um. Ich gehe immer weiter. Aber ich sehe keine Tiere. Keine lebenden Tiere, keine halbtoten oder toten. Die Sonne scheint durch die Stämme. Ausser einigen roten Preiselbeerbüschen erinnert nichts an den Roten Norden, den ich erlebt habe. Die Stämme der Bäume ragen in die Höhe. Wenn ich den Kopf in den Nacken lege, sehe ich Baumkronen vor dem blauen Himmel. Manchmal stehen die Bäume zu eng zusammen. Aber meistens kann ich bequem meinen Weg gehen. Immer wieder werde ich an das, was ich auf dem Bildschirm gesehen habe, erinnert. Ich merke, dass das eingezäunte Gelände gross sein muss. Erst nach einer halben Stunde (hin und wieder habe ich angehalten, mich umgeschaut) stosse ich auf die Umzäunung. Sie ist hoch und eisern. Auf der anderen Seite geht der Wald weiter, es ist alles ein einziger grosser Föhrenwald, aber auf beiden Seiten dieses Eisenzauns ist ein schmaler Streifen gerodet worden – den habe ich wohl auch vorgestern vom Hügel aus gesehen. Ich darf die Orientierung nicht verlieren. Ich halte an. Ich habe vorgestern gesehen, dass die ganze Umzäunung im rechten Winkel zur Behausung von x verläuft. Das heisst, wenn ich dem Zaun folge, finde ich wieder aus dem Wald. Aber meine Aufgabe ist es doch, zwei Tiere zu finden, die x geschossen hat. Vielleicht sind sie tot, vielleicht nicht. Ich habe einen schlechten Orientierungssinn. Ich weiss, dass ich einen schlechten Orientierungssinn habe. Ich will diese Tiere suchen, und ich habe Angst, dass ich den Ausweg aus dem Wald nicht finde, wenn ich den Eisenzaun verlasse, was notwendig ist, um diese Tiere zu finden.
    Ich lehne mich an einen der eisernen Zaunpfosten und blicke zurück auf die rötlichen Stämme. Die Aufgabe scheint unlösbar zu sein. Zumindest für mich. Ich wüsste mir wohl auch mit einem Kompass in der Hand nicht zu helfen. Die Sonne steht jetzt höher. Ein paar Schritte gehe ich in den Wald hinein, ich möchte mich an die Wurzeln eines breiten Stamms lehnen, der etwas erhöht steht, und so noch etwas ausruhen. Ich gehe auf den Stamm zu, da ertönt ein fürchterlicher Knall; ich stehe sofort still. Ein zweiter, ein dritter folgt, ich spüre einen Luftzug, rechts an meinem Gesicht, und mir wird klar: x feuert Schüsse auf mich ab. Ich spüre, wie ich zittere. Er hat mich nicht getroffen; doch ich weiss, er trifft mit Absicht nicht, ich habe ja gesehen, wie einfach es wäre, ein Objekt mit der Computermaus zu erfassen und dann auf die rechte Taste der Maus zu drücken. Das Kreuz, dieses weisse Kreuz, befindet sich ganz in der Nähe meines Kopfes. Mir ist, als könnte ich es sehen, als schwebte es um mich herum. Mein Herz klopft so sehr, dass ich mit der Hand leicht gegen die Kehle drücke, um es zu beruhigen. Ich kann jetzt nicht zum Stamm vorgehen, wie ich beabsichtigt habe; er würde meinen, dass ich in Deckung gehen wollte. Ich wende mich um, gehe ganz gemächlich zum Zaun zurück. Ich zittere. Aber ich denke: Er kann schiessen, oder er kann es lassen. Er sieht mich. Ich kann nicht fliehen. Ich werde auch nicht fliehen. Ich lehne am Eisenpfosten, an demselben wie vorhin, und schaue auf den Wald. Lauter gerade Stämme, zwischen ihren Kronen schimmert der blaue Himmel. Ich beschliesse, am Zaun zurückzugehen. Nur so finde ich den Weg aus dem Wald. Wenn er auf mich schiesst, kann ich ihn nicht daran hindern. Wie könnte ich?
    Der Weg zurück, immer dem Zaun nach, auf dem schmalen, gerodeten Streifen, ist lang. Ich bin müde. Ich denke an die beiden Tiere, die

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