Der rote Prophet
des Landes wird tot sein und abgeschnitten. Voller Rauch und Metall, voller Gewehre und Tod. Die roten Männer, die im Osten bleiben, werden weiß werden. Und weiße Männer werden die Grenze des Mizzipy nicht überschreiten.«
»Es gibt bereits weiße Männer westlich vom Mizzipy. Hauptsächlich Trapper und Händler, aber auch schon ein paar Farmer mit ihren Familien.«
»Ich weiß«, sagte der Prophet. »Aber was ich heute hier geschaut habe – ich weiß, wie ich den weißen Mann dazu bringen kann, nie wieder nach Westen zu ziehen, und wie ich den roten Mann dazu bringen kann, nie mehr im Osten zu bleiben.«
»Wie willst du das denn tun?«
»Wenn ich es verrate«, erklärte der Prophet, »dann wird es nicht geschehen. Manche Dinge an diesem Ort darf man nicht erzählen, sonst verändert er sich und sie verschwinden.«
»Ist es die Kristallstadt?« wollte Alvin wissen.
»Nein«, widersprach der Prophet. »Es ist der Blutfluß. Es ist der Eisenwald.«
»Zeig es mir!« verlangte der Junge. »Laß mich schauen, was du geschaut hast!«
»Nein«, schlug der Prophet es ihm ab. »Du würdest das Geheimnis nicht wahren.«
»Warum nicht? Wenn ich dir mein Wort gebe, werde ich es auch nicht brechen!«
»Du kannst mir den ganzen Tag dein Wort geben, immer wieder, Schabenjunge, aber wenn du diese Vision schautest, würdest du vor Furcht und Schmerz aufschreien. Und du würdest es deinem Bruder erzählen. Du würdest es deiner Familie erzählen.«
»Wird ihnen etwas geschehen?«
»Nicht ein einziger aus deiner Familie wird sterben«, sagte der Prophet. »Alle werden gesund und unversehrt sein, wenn dies vorbei ist.«
»Zeig es mir!«
»Nein«, erwiderte der Prophet. »Ich werde jetzt den Turm zerstören, und du wirst dich an das erinnern, was wir hier getan und gesagt haben. Doch die einzige Möglichkeit für dich, jemals wieder hierherzukommen und Dinge zu schauen, besteht darin, die Kristallstadt zu finden.«
Der Prophet kniete an der Stelle nieder, wo die Mauer auf den Boden traf. Er schob seine blutverschmierten Finger in die Mauer und hob sie an. Sie löste sich auf, wurde zu Wind. Jetzt waren sie von der Szenerie umgeben, die sie scheinbar vor vielen Stunden zurückgelassen hatten: Das Wasser, der Sturm, der Wirbel, der über ihnen wieder in die Wolken zurückkehrte. Blitze zuckten um sie herum, und der Regen fiel so schnell herab, daß das Ufer verschwand.
Der Prophet schritt an den Rand, der dem Ufer am nächsten war, und trat auf das stürmische Wasser hinaus. Unter der Berührung seines Fußes wurde es hart, wogte aber noch etwas – es war nicht so fest wie die Plattform. Der Prophet griff nach hinten, nahm Alvin bei der Hand, zog ihn auf den neuen Pfad, den er auf dem See erschuf. Er war nicht annähernd so glatt wie zuvor, und je mehr der Pfad sich bewegte, um so schwieriger wurde es, über die Wellen zu schreiten.
»Wir sind zu lange geblieben!« rief der Prophet.
Alvin konnte das schwarze Wasser unter der dünnen Kristallschicht haßerfüllt brodeln fühlen. Das Nichts aus einem uralten Alptraum, das den Kristall durchstoßen wollte, um AI zu packen, ihn zu ertränken und in Stücke zu reißen, in allerwinzigste Stücke, um ihn in die Finsternis hinauszuschleudern.
»Das war nicht ich!« rief Alvin.
Der Prophet drehte sich um, nahm ihn auf und hob ihn auf seine Schultern. Der Regen prasselte auf ihn nieder, der Wind versuchte, ihn von den Schultern des Propheten zu reißen. Alvin klammerte sich an Tenskwa-Tawas Haar fest. Er spürte nun, wie die Füße des Propheten mit jedem Schritt tiefer im Wasser einsanken. Hinter ihnen war nicht mehr das leiseste Anzeichen eines Pfads zu erkennen, alles war verschwunden, immer höher und höher wogten die Wellen.
Der Prophet stolperte, stürzte; auch Alvin stürzte, nach vorn, wissend, daß er ertrinken würde ...
Und dann fand er sich auf dem nassen Sand des Strands wieder, vom Wasser beleckt, das den Sand unter ihm fortspülte, um ihn wieder hinauszuzerren. Doch kräftige Hände packten unter seine Achseln, rissen ihn hoch, den Dünen entgegen.
»Der Prophet ist noch dort draußen!« rief Alvin. Oder er glaubte zumindest, daß er es rief – er brachte kaum einen Ton heraus. Es hätte ohnehin nichts ausgemacht, allzu laut war der Wind. Er öffnete die Augen, und sie wurden von Sand und Regen gepeitscht.
Dann spürte er Measures Lippen an seinem Ohr und hörte ihn brüllen: »Der Prophet ist in Ordnung! Ta-Kumsaw hat ihn herausgeholt! Ich habe
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