Der Rubin der Oger
Sein langes, dunkles Gewand passte sich perfekt der Umgebung des Waldes an, und durch seine vor Aufregung züngelnden Nesseln sowie die knochigen Gliedmaßen wirkte er selbst wie ein Teil des Baumes.
»Herr, ich habe Euch schon erwartet«, krächzte er. »Ich dachte mir, dass Ihr Euch nach der langen Reise gerne ein wenig erholen wollt, und so habe ich mir erlaubt, diese Zisterne für Euch anzulegen.« Mit diesen Worten deutete er auf den Teich zu Elliahs Füßen.
Elliah schritt um den Weiher herum und näherte sich seinem Gegenüber.
»Ich bin gekommen, um die Welt aus den Angeln zu heben, ein paar Löcher in die Ordnung zu stoßen und dort meinen Platz einzunehmen. Glaubst du wirklich, ich würde vorher noch ein Bad brauchen?«
Der Nesselschrecken verbeugte sich tief und verharrte in dieser Stellung. Er wartete darauf, erneut angesprochen zu werden. Elliah genoss das unterwürfige Verhalten des Nesselschreckens und schritt an ihm vorbei. Er hielt auf den Baum zu, von dem er schon so viel gehört hatte und der das Ziel seiner Reise darstellte.
»Wo ist der Stein?«, fragte er und ließ sich dabei zum ersten Mal seine Anspannung anmerken. Ungeduldig schaute er in verschiedene Astlöcher.
»Herr, der Stein ist ... nicht da.«
Elliah wirbelte herum. Der Nesselschrecken hob die Arme zur Abwehr, als Elliah auf ihn zustürmte.
»Wir wissen, wer ihn fortgebracht hat. Ich habe schon einen Trupp zur Verfolgung hinterher geschickt«, versuchter er den Zorn seines Herrn zu dämpfen.
Elliah packte ihn an der Kehle.
»Ich glaube, du verkennst den Ernst der Lage. Der Stein ist der Schlüssel zu unserem neuen Königreich. Du solltest nur aufzupassen, dass er genau dort bleibt, wo er seit Anbeginn der Zeiten war. Sag mir endlich, was passiert ist.«
Der Nesselschrecken wollte antworten, doch Elliahs Griff schnürte ihm die Luft ab, sodass er kein Wort herausbrachte.
»Eigentlich interessiert es mich gar nicht. Bring ihn einfach zurück«, schrie Elliah und warf den Unglücklichen rücklings in den Teich. Sofort stand er wieder neben dem Nesselschrecken und zog ihn am Kragen aus dem Wasser.
»Wartet, ich habe eine bessere Idee«, sagte er. »Hört mich an, meine Kinder. Demjenigen, der mir den Stein zurückbringt, werde ich seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen. Beeilt euch, meine Brut! Wir haben nicht viel Zeit.«
»Das ist äußerst großzügig von Euch, Herr. Sie werden es zu würdigen wissen. Noch vor Einbruch der Nacht werdet Ihr den Stein zurück haben«, winselte der Nesselschrecken. »Wie kann ich Euch in der Zwischenzeit dienen, Herr?«
Elliahs Hand verkrümmte sich. Die Knochen begannen zu brechen, und vom Ellenbogen an verformte sich der Arm in die Zange eines Krebses.
»Es wäre nett von dir, wenn du mit deinen Eingeweiden mein Bad erfrischen würdest.«
Die Zange stieß herab und durchbohrte den Bauch des Nesselschreckens, der daraufhin wieder im Wasser versank.
Das aufgebrachte Zischen der schwarzen Elfen drang von überall her auf ihn ein. Doch schnell verstummte es wieder, und Elliah wusste, dass sich seine Brut auf die Jagd begab.
27
Fliegender Tod
Der Tagesanbruch enthüllte das volle Ausmaß der Verwüstung. Der Handelsposten war bis auf die Grundmauern zerstört, und selbst die wenigen Sträucher und Bäume in der Umgebung hatten bei der Auseinandersetzung der Drachen gelitten.
Mogda hatte es sich abseits der anderen an einem Felsen bequem gemacht. Ihm war schleierhaft, wie man fast einen ganzen Tag damit zubringen konnte, einen einzigen Elfen zu beerdigen. Zuerst war er fasziniert gewesen von der Melancholie und der Feierlichkeit, mit der Cindiel die Zeremonie einleitete, doch im Laufe der Stunden wiederholten sich die Gesänge und Gesten ein uns andere Mal. Irgendwann hatte Mogda dann den Punkt erreicht, wo sein Gemütszustand es nur noch zuließ, sich entweder mit zwergischen Trinkliedern aufzuheitern oder die Festlichkeit zu verlassen, um nicht trübsinnig zu werden. Er entschloss sich für die zweite Variante, um die anderen nicht vor den Kopf zu stoßen.
Irgendwann endeten die rituellen Gesänge, und Cindiel, Barrasch und Finnegan saßen schweigend um den toten Elfen herum. Die beiden Drachen harrten einige hundert Meter weiter im Schutz der Felsen aus. Dem zufälligen Blick eines Wanderers hätte ihr Versteck standhalten können, doch Mogda hatte sie seit ihrem Rückzug keinen Moment aus den Augen gelassen. Er war erleichtert, dass sie offenbar mehr Verständnis für die Rituale der
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