Der Rubin der Oger
Drachen er dieses Hinterteil zuordnen sollte, doch da die beiden sich augenscheinlich wieder einig waren, war es unerheblich für ihn, das zu wissen.
Der Oger warf einen wehmütigen Blick auf das Runenschwert. Die Ettins hatten es ihm vor Jahren überlassen. Seine Kraft reichte über das Hier und Jetzt hinaus. Im Bund der Ettins konnte es Visionen zeigen und einen Verlorenen zurück auf den Weg bringen. Er konnte nur hoffen, dass es für ihn noch einen Weg gab. Als Mogda sich wieder abwandte, sah er sich dem Drachen Auge in Auge gegenüber. Eine dunkelblaue, gespaltene Zuge schnellte zwischen den Zähnen hervor und leckte ihn von der Brust über den Hals und quer durchs Gesicht.
»Prios, hilf uns!«, hörte er die gequälte Stimme Cindiels, die ihren Gott anbetete. »Lass nicht zu, dass sie uns fressen.«
Mogda spürte den Speichel des Drachen, der sich in seine Haut ätzte. Wie Metall, das sich immer weiter erhitzte, brannte er auf seinem Körper. Die Fressgewohnheiten der Drachen waren ihm unbekannt, dennoch glaubte er nicht, dass dieses Züngeln ein Geschmackstest war.
»Wir haben nichts mit dem Tod dieses Elfen zu tun«, sagte Mogda, und dabei bemühte er sich, keine Furcht zu zeigen. »Aber wenn ihr gekommen seid, um den Tod eurer roten Brüder zu rächen, beendet es jetzt. Nur lasst die Menschen gehen, sie hatten nichts damit zu tun.«
Die Drachenklaue ließ Cindiel sanft zu Boden fallen. Die junge Hexe lag noch einige Momente regungslos und riskierte erst dann einen vorsichtigen Blick zwischen ihren Fingern hindurch. Statt die Flucht zu ergreifen oder sich in Mogdas Schutz zu begeben, hockte sie sich vor den toten Elfen und fuhr sanft mit der Hand über seinen Leib. Ihre Berührungen waren so behutsam, dass die mit Silberfäden bestickte Kleidung keine Falten warf, als sie diese berührte. Sie drehte den toten Körper auf die Seite und begann, einen Pfeil nach dem anderen aus seinem Leib zu ziehen. Das Fauchen der Drachen ließ Mogda und sie zusammenzucken.
»Wir haben ihn nicht getötet«, schrie Mogda. »Sie will ihm nur die letzte Ehre erweisen.«
Mogda war kurz davor, eine große Dummheit zu begehen. Sein Schwert lag nur einen Sprung entfernt, doch die sanfte Stimme Cindiels hielt ihn davon ab, den Sprung zu wagen.
»Sie wissen es. Sie sinnen nicht auf Rache, jedenfalls nicht gegen uns.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es, denn ich kann es spüren«, entgegnete die junge Frau. »Sie kommunizieren auf ähnliche Art und Weise wie ich früher mit meiner Großmutter. Wenn man es schafft, seine Gefühle auf das Wesentliche zu beschränken und diese dann bündelt, kann man sie wie eine Sprache verwenden. Diese Sprache ist nicht so vielfältig wie das gesprochene Wort, aber sie lügt auch nicht.«
Cindiel klang leicht enttäuscht. »Leider kann ich nicht spüren, was sie wollen.«
Mogdas Schmerzen wurden unerträglich. Der ätzende Speichel auf seiner Haut fraß sich immer tiefer. Ungestüm riss er an seinem Hemd und versuchte, die Säure wegzuwischen. Der Stoff hatte unter dem Drachenspeichel schon so stark gelitten, dass er zerriss und ein braun verfärbter Teil sich vom Rest löste. Ein paar von Mogdas Sachen fielen zu Boden, darunter auch das Stück Rinde vom Baum Mystraloon.
»Aber ich weiß es«, stöhnte Mogda. »Sag ihnen, wir werden sie finden.«
Cindiel schaute Mogda verwundert an.
»Sag es ihnen einfach«, wiederholte er.
Cindiel schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie hatte große Mühe, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Zu viel war passiert in den letzten Tagen. Sie war hin und her gerissen zwischen Angst und Zorn, Liebe und Trauer. Sie versuchte, das alles aus ihren Gedanken zu löschen, jedenfalls für diesen Moment, für einen winzigen Augenblick. Doch so sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht. Zu tief hatten sich die Eindrücke in ihren Geist gegraben. Und wie sie selbst gesagt hatte: Gefühle konnten nicht lügen und auch nichts verschweigen.
»Ich kann es nicht«, brach es schließlich aus ihr heraus.
Erneut vergrub sie ihr Gesicht zwischen den Händen. Mogda sah, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Sie fiel auf die Knie und weinte bitterlich. Die Drachen jedoch waren für die Botschaft des jungen Mädchens empfänglicher, als sie es selbst angenommen hatte. Mit einem zufriedenen Knurren zogen sie sich zurück und wandten sich in Richtung der zerklüfteten Landschaft der Berge. Ihre Bewegungen waren so vorsichtig, dass man kaum einen ihrer
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